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Vollstreckung eines Weiterbeschäftigungsanspruchs nach erfolgreicher Kündigungsschutzklage

LAG Hessen (10. Berufungskammer), Beschluss vom 03.08.2021 – 10 Ta 56/21

Nach gewonnener erster Instanz im Kündigungsschutzprozess kann der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung vollstrecken lassen. Gegen den Arbeitgeber, der sich der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers verweigert, kann die Verhängung eines Zwangsgelds nach § 888 ZPO beantragt werden. Mit der Absicht dies zu verhindern, sprechen Arbeitgeber teilweise weitere Kündigungen aus. Diese sind nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hessen vom 03.08.2021 für das Vollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO unbeachtlich.

Sachverhalt

Die Parteien streiten im Zwangsvollstreckungsverfahren über die Frage, ob der Gläubiger als Arbeitnehmer gemäß einem Urteil des Arbeitsgerichts bis zur Beendigung des Rechtsstreits weiter zu beschäftigen ist.

Zwischen den Parteien war vor dem Arbeitsgericht Frankfurt ein Kündigungsrechtsstreit anhängig. Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 15.12.2020 den Kündigungsschutzanträgen des Gläubigers stattgegeben und die Schuldnerin verurteilt, den Gläubiger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Leitstellenmitarbeiter weiter zu beschäftigen. Dieses Urteil ist der Gläubigerin am 20.01.2021 zugestellt worden. Die vollstreckbare Ausfertigung ist am 05.01.2021 erteilt worden. Gegen das Urteil hat die Schuldnerin Berufung beim Hessischen Landesarbeitsgericht eingelegt. Mit Schriftsatz vom 06.01.2021 hat der Gläubiger einen Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes zur Durchsetzung des titulierten Weiterbeschäftigungsanspruchs gestellt. Mit Beschluss vom 22.02.2021 hat das Arbeitsgericht sodann ein Zwangsgeld in Höhe von 3.246,40 Euro festgesetzt. Die Schuldnerin hat hiergegen mit Schriftsatz vom 08.03.2021 sofortige Beschwerde eingelegt.

Mit Schreiben vom 21.04.2021 hat die Gläubigerin eine weitere außerordentliche und hilfsweise ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, sie habe erfahren, dass der Gläubiger versucht habe, den Mitarbeiter A am 12.04.2021 abzuwerben.

Zur Begründung der Beschwerde hat die Schuldnerin ausgeführt, durch die zweite Kündigung sei die Grundlage für den Weiterbeschäftigungsanspruchs entfallen. Wegen des Wettbewerbsverstoßes sei die Vertrauensgrundlage massiv gestört.

Entscheidungsgründe

Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts zurückgewiesen, da das Arbeitsgericht zu Recht ein Zwangsgeld festgesetzt habe.

Es seien die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung (Titel, Klausel, Zustellung) gegeben.

Zudem könne die Schuldnerin dem Antrag der Gläubigerin nach § 888 ZPO vorliegend nicht den Einwand der Unmöglichkeit entgegenhalten.

Diese materiell-rechtlich Einwand sei zwar grundsätzlich auch im Rahmen der Zwangsvollstreckung möglich. Eine Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung sei jedoch im Interesse eines effektiven Zwangsvollstreckungsrecht nicht der Unmöglichkeit gleichzusetzen. Das formalisierte Zwangsvollstreckungsverfahren vertrage es nicht, wenn die Vollstreckung an einer – schwer vorhersehbaren – Interessenabwägung scheitern sollte.

Auch der Ausspruch der Folgekündigung sei im Verfahren nach § 888 ZPO unbeachtlich.

Abgesehen von dem Einwand der Erfüllung und der Unmöglichkeit seien materielle Einwendungen in dem Verfahren nach § 888 ZPO grundsätzlich nicht mehr zu überprüfen. Im Vollstreckungsverfahren könne schlechterdings nicht überprüft werden, ob der Ausspruch einer Kündigung materiell-rechtlich wirksam sei. Der zurückgenommene Überprüfungsmaßstab im Verfahren nach § 888 ZPO sei aber nur dann unbedenklich, wenn dem Schuldner ein effektiver Rechtsschutz auf anderem Weg ermöglicht werde. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG entfalte ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt. Dies sei vorliegend jedoch dadurch gesichert, dass der Arbeitgeber eine Vollstreckungsabwehrklage erheben könne, oder er müsste gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung einlegen und gleichzeitig (ergänzend) eine gesonderte Entscheidung des Berufungsgerichts beantragen, nach der die Pflicht zur Weiterbeschäftigung aufgehoben wird. Dazu müsste er glaubhaft machen, dass ihm die Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde (§ 62 Abs.1 Satz 2 ArbGG). Dies habe der Schuldner vorliegend nicht getan.

Praxishinweise

Der Beschluss des Landesarbeitsgerichts hat in der arbeitsrechtlichen Praxis Relevanz. Der Ausspruch einer nachträglichen weitere Kündigungen, insbesondere auch fristlose Kündigungen, um dadurch eine neue Sachlage zu schaffen und der Vollstreckung der Weiterbeschäftigung den „Boden zu entziehen“ ist für Arbeitgeber alleine kein gangbarer Weg, um die Festsetzung eines Zwangsgeldes zu verhindern. Für Arbeitgeber bleibt insoweit jedoch der Weg einer Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO, die bei guter Vorbereitung und Begründung Erfolg bringen kann.

Lena Schomann
Rechtsanwältin

dkm Rechtsanwälte. Kanzlei für Arbeitsrecht.
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