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Scheinselbstständigkeit – Risiken auch für Arbeitnehmer?

Die wirtschaftliche Lage ist auf Grund der Covid19-Epidemie angespannt. Unternehmen sehen sich einem Abschwung der Auftragslage gegenüber und blicken vielseits in eine unbekannte Zukunft. Es ist daher zu erwarten, dass sich die Einstellung sog. freier Mitarbeiter in den kommenden Monaten mehrt. Vor diesem Hintergrund wollen wir die Risiken im Zusammenhang mit der Einstellung freier Mitarbeiter zum Inhalt dieses Beitrags machen.

Bei der Einstellung freier Mitarbeiter besteht stets das Risiko der sog. Scheinselbstständigkeit. Die tatsächliche Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses vermeintlich freier Mitarbeiter, die tatsächlich den Weisungen des Auftraggebers unterliegen und in den Betrieb eingegliedert sind, qualifiziert sich häufig doch als abhängiges Beschäftigungsverhältnis.

Maßgeblich bei der Unterscheidung freier und abhängiger Beschäftigter ist stets das tatsächlich gelebte Vertragsverhältnis. Der Inhalt des Vertrags und der Parteiwille, dass der Mitarbeiter als freier Mitarbeiter eingestellt werden soll, sind bei der Bewertung des Status des Mitarbeiters jedoch lediglich ein Indiz. Die Abgrenzung findet nach einer Gesamtschau statt, in welche Faktoren wie bspw. die Vertretung während einer Abwesenheit, Auftritt nach außen und unternehmerische Risiken einfließen. Maßgeblich bei der Bewertung ist im Ergebnis, ob hinsichtlich Inhalt, Ort und Zeit der Tätigkeit Weisungsfreiheit besteht und eine betriebliche Eingliederung nicht gegeben ist.

Die Risiken bei der Einstellung freier Mitarbeiter, die tatsächlich abhängig beschäftigt sind, spiegeln sich im Sozialversicherungsrecht sowie im Arbeitsrecht wider. Risiken gibt es dabei für den Arbeitgeber, der ggfs. Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen muss und sich dem Kündigungsschutzgesetz ausgesetzt sieht, sowie für den Arbeitnehmer. Dies wollen wir anhand eines Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 26.06.2019 aufzeigen.

Das Bundesarbeitsgericht hat am 26.06.2019 (5 AZR 178/18) entschieden, dass wenn sich ein vermeintlich freies Dienstverhältnis im Nachhinein als Arbeitsverhältnis darstellt, in der Regel nicht davon ausgegangen werden kann, die für freie Mitarbeit vereinbarte Vergütung sei der Höhe nach auch für eine Beschäftigung als Arbeitnehmer verabredet.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin aus einem fehlerhaft als freies Dienstverhältnis behandelten Arbeitsverhältnis.

Der Beklagte war als „IT-Mitarbeiter“ ohne festen Stundenumfang beschäftigt. Der Beklagte erhielt für jede tatsächlich geleistete Stunde ein Honorar von zuletzt 60 €/Stunde. Nachdem der Beklagte das Vertragsverhältnis gekündigt hatte, stellte die Deutsche Rentenversicherung auf dessen Antrag fest, dass der Beklagte während seiner gesamten Tätigkeit der Versicherungspflicht in allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung unterlag. Die Klägerin wurde auf Zahlung von Beiträgen zur Sozialversicherung herangezogen. Mit ihrer Klage hat sie die Rückzahlung „zu viel“ geleisteter Honorare verlangt.

Entscheidung

Nach der Rechtsprechung des Senats kann der Arbeitgeber aus § 812 I 1 Alt. 1 BGB die Rückzahlung überzahlter Honorare verlangen, wenn der Arbeitnehmerstatus eines vermeintlich freien Mitarbeiters rückwirkend festgestellt wird. Mit einer solchen Feststellung steht zugleich fest, dass der Dienstverpflichtete als Arbeitnehmer zu vergüten war und ein Rechtsgrund für die Honorarzahlungen nicht bestand, soweit die im Arbeitsverhältnis geschuldete Vergütung niedriger ist als das für das freie Dienstverhältnis vereinbarte Honorar

Ohne das Vorliegen besonderer Anhaltspunkte kann nicht angenommen werden, das für das freie Dienstverhältnis vereinbarte Stundenhonorar sei auch in dem tatsächlich bestehenden Arbeitsverhältnis der Parteien als Bruttoarbeitsentgelt maßgeblich. Dies führt zur Anwendung von § 612 II BGB und damit zu einem Anspruch auf die übliche Vergütung.

Andernfalls bliebe außer Acht, dass die Vergütung von Personen, die im Rahmen eines Dienstvertrags selbstständige Tätigkeiten erbringen, typischerweise zugleich Risiken abdecken soll, die der freie Mitarbeiter anders als ein Arbeitnehmer selbst trägt. Es kommt hinzu, dass die Vergütung meist als „Honorar“ bezeichnet wird und der Vertrag häufig Regelungen zur Umsatzsteuer enthält. Vor diesem Hintergrund muss dem Mitarbeiter klar sein, dass er die für ein freies Dienstverhältnis vereinbarte Vergütung nicht als Bruttoarbeitsentgelt beanspruchen kann, falls sich das Rechtsverhältnis in Wahrheit als Arbeitsverhältnis darstellt.

Praxishinweis

Bei der Eingehung eines freien Dienstverhältnisses ist folglich erhöhte Vorsicht geboten. Auf Seite des Arbeitgebers ist zu berücksichtigen, dass Ansprüche der Sozialversicherungsträger entstehen können, die bei einer Statusklärung zu erfüllen sind. Dieses Risiko ist äußerst praxisrelevant und aufgrund der Höhe der Nachforderungsbeiträge stets eingehend ins Kalkül zu ziehen. Aber auch der ursprünglich freie Mitarbeiter, der ggf. in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren seinen Arbeitnehmerstatus feststellen lässt oder sich dieser nach einer Prüfung durch die Deutsche Rentenversicherung ergibt, trägt Risiken. Er hat stets zu beachten, dass die vereinbarte Honorarvergütung keine Vereinbarung über ein Bruttoarbeitsentgelt zwischen den Parteien darstellt und hier etwaige Überzahlungen des Arbeitgebers zurück verlangt werden können.

Anna-Christin Riedel
Rechtsanwältin

dkm Rechtsanwälte. Kanzlei für Arbeitsrecht.
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