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LAG Baden-Württemberg stärkt Unternehmens-Compliance

LAG Baden-Württemberg stärkt Unternehmens-Compliance

Die konsequente Verfolgung von Compliance-Verstößen in Unternehmen gewinnt stetig an Bedeutung. Für die betroffenen Unternehmen ist sie mit einem mitunter hohen Kostenaufwand verbunden. Das LAG Baden-Württemberg springt den Unternehmen mit seiner Entscheidung vom 21.04.2020 nun zur Seite, indem es diesen in gewissen Grenzen zugesteht, bei einem Verdacht auf Verstoß gegen interne Compliance Regeln durch einen Arbeitnehmer eine spezialisierte Anwaltskanzlei zur Sachverhaltsaufklärung zu beauftragen und die Kosten beim Arbeitnehmer ersetzt zu verlangen.

Sachverhalt

Der als Leiter Zentraleinkauf eines Unternehmens tätige Kläger nahm es mit den unternehmensinternen Compliance-Regeln nicht so genau: Er lud diverse Personen auf Unternehmenskosten zum Essen ein, unternahm auf Unternehmenskosten Reisen zu Champions-League-Spielen, missbrauchte die Firmenkreditkarte etc. Wegen der Pflichtverletzungen gingen anonyme Verdachtsmeldungen bei der Beklagten ein. Das Unternehmen, die hiesige Beklagte, beauftragte daraufhin eine Anwaltskanzlei zu einem Stundensatz von 350 € mit der Durchführung von Compliance-Untersuchungen. Die Kanzlei legte einen umfassenden Untersuchungsbericht vor. Die Beklagte kündigte auf Basis der Untersuchungsergebnisse das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger. Untersuchungen der Kanzlei im Nachgang zu der Kündigung führten dazu, dass nicht nur der durch die Whistleblower-Meldungen begründete Verdacht aufgeklärt und für eine Vielzahl von Fällen bestätigt wurde, sondern zugleich weitere schwerwiegende Pflichtverletzungen des Klägers festgestellt wurden. Der Kläger setzte sich gegen ausgesprochene Kündigung zur Wehr. Die Beklagte machte ihrerseits widerklagend diverse Schadensersatzpositionen geltend, u. a. für die Tätigkeit der externen Anwälte.

Entscheidungsgründe

Die Kündigungsschutzklage des Klägers blieb erfolglos. Das LAG Baden-Württemberg verurteilte ihn überdies im Rahmen der Widerklage zur Erstattung des Großteils der zur Aufklärung der Pflichtverstöße angefallenen Anwaltskosten. Diesen Ersatzanspruch begrenzte das LAG allerdings auf die bis zum Ausspruch der Kündigung entstandenen Kosten. Das LAG nahm zunächst Bezug auf die gefestigte Rechtsprechung des BAG (vgl. z.B. BAG 29. Juni 2017 – 2 AZR 597/16), wonach der Arbeitnehmer wegen der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dem Arbeitgeber die durch das Tätigwerden eines Detektivs entstandenen notwendigen Kosten zu ersetzen habe, wenn der Arbeitgeber aufgrund eines konkreten Tatverdachts einem Detektiv die Überwachung des Arbeitnehmers überträgt und der Arbeitnehmer einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt wird. Vorliegend war für das LAG die Beauftragung externer Spezialisten nicht zu beanstanden. Das LAG stellte fest, dass sich die Schadensersatzpflicht eines Schädigers auf alle Aufwendungen des geschädigten Unternehmens erstrecke, soweit diese nach den Umständen des Falles als notwendig anzusehen seien. Dazu gehöre auch die Abwehr drohender Nachteile, wenn sich insofern konkrete Verdachtsmomente ergeben. Dem Arbeitgeber stünden insoweit für die Maßnahmen Erstattungsansprüche zu, die ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Arbeitgeber nach den Umständen des Einzelfalls zur Beseitigung der Störung bzw. zur Schadensverhütung nicht nur als zweckmäßig, sondern als erforderlich ergriffen hätte. Konkret diente die Beauftragung der Kanzlei dem Interesse beider Seiten an einer sorgfältigen und professionellen Aufklärung des Sachverhalts. Wie der Tätigkeitsbericht der Kanzlei zeige, so das LAG, seien eine Vielzahl von elektronischen Dokumenten zu sichten und auszuwerten gewesen. Auch die Einlassungen des Klägers durch Bestreiten der Vorwürfe belegten das Erfordernis professioneller Ermittlungen. Selbst wenn die beauftragte Kanzlei in den Diensten der Beklagten stehe, biete sie mehr Gewähr für distanzierte Sachlichkeit als unternehmensinterne Ermittlungen. Dafür streite auch, dass eine Geschäftsleitung bei unterlassenen Maßnahmen womöglich selbst eigene Pflichtverletzungen zu verantworten habe. Entscheidend seien die aus der Pflichtenstellung der Geschäftsleitung abgeleiteten Ziele bei dem Verdacht auf Compliance-Verstößen: bei konkreten Hinweisen den Sachverhalt unverzüglich aufzuklären, festgestellte Verstöße abzustellen und ein festgestelltes Fehlverhalten zu sanktionieren. Den Stundensatz i. H. v. 350 € sah das LAG als angemessen an. Die Ermittlungskosten seien indes auf die bis zum Ausspruch der Kündigung angefallenen Kosten begrenzt, da die Vertragsstörung durch die Kündigung beseitigt worden war. Die anschließend entstehenden Kosten für weitere Befragungen, Erstellung von Protokollen oder Vorfällen, die nicht zur Begründing der Kündigung herangezogen wurden, könnten keinen Beitrag mehr zur Beseitigung einer Vertragsstörung leisten. Sie wurden vom LAG deshalb nicht als erstattungsfähig beurteilt. Für diese greife die Kostentragungsregelung des § 12 a Abs. 1 S. 1 ArbGG.

Praxishinweise

Das Urteil stärkt Unternehmen bei der Abwälzung von anwaltlichen Aufklärungskosten im Rahmen von Compliance-Verstößen. In der Praxis dürfte die Erforderlichkeit von externer anwaltlicher Hilfe wegen der tatsächlich und rechtlich komplexen Fragestellungen rund um Compliance-Verstöße regelmäßig gegeben sein. Bei der Beauftragung seiner Anwälte kann der Arbeitgeber marktübliche Stundensätze vereinbaren, ohne auf eine nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz geschuldete Vergütung begrenzt zu sein. Weniger hilfreich ist allerdings die in § 12 a Abs. 1 S. 1 ArbGG angelegte Begrenzung der Kostenerstattung. Da, so klarstellend das LAG, die Ermittlungskosten nach Kündigungsausspruch nicht mehr der Beseitigung einer Vertragsstörung dienen, können sie grds. nicht vom Arbeitnehmer erstattest verlangt werden. Dies wird in der Praxis dazu führen, dass die Ermittlungsphase bis zur Beseitigung der Vertragsstörung extensiv und umfassend angelegt wird, um bis zum Kündigungsausspruch eine möglichst umfassende Faktenlage zu schaffen. Wenn die nach Ausspruch der Kündigung vorgenommenen weiteren Ermittlungen allerdings auch zur Begründung der Kündigung dienen und im Wege des Nachschiebens von Gründen in das Verfahren eingeführt werden, lässt sich nach unserer Auffassung gut vertreten, dass sie ebenfalls zur Beseitigung einer Störung dienen und damit erstattungsfähig sind.

Felix Kratz
Rechtsanwalt, Lic. en Droit
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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