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Corona-Virus und Betriebsratsarbeit – Digitales Irrlichtern der Bundesregierung bei der geplanten Einführung des § 129 BetrVG

Die Bundesregierung plant, § 129 BetrVG einzufügen, um Beschlussfassungen eines Betriebsrates auch außerhalb von Präsenzsitzungen zu ermöglichen. Die bisher bekannte geplante Neufassung des § 129 BetrVG ist nach Ansicht des Autors zur Erreichung dieses Zieles ungeeignet.

I. Einleitung

Die Verunsicherung innerhalb der Betriebsratsgremien ist groß. Arbeitgeber drängen auf schnelle und flexible Regelungen zur Aufrechterhaltung des Betriebes während der Corona-Pandemie. Gerade die Regelungen zur Einführung von Kurzarbeit, aber auch die Öffnung von Arbeitszeitkonten, Arbeitszeitrahmen, die Anpassung von Vergütungssystemen und auch die vielen personellen Einzelmaßnahmen, die Corona-Pandemiebedingt auszusprechen sind, erfordern jeweils die Mitwirkung der Betriebsräte. Die Arbeitgeber sind darauf angewiesen, dass wirksame Betriebsvereinbarungen abgeschlossen werden, um z.B. Kurzarbeit einzuführen. Die Betriebsräte wiederum sind darauf angewiesen, wirksame Betriebsratsbeschlüsse zu fassen, um z.B. wirksam die Zustimmung zu einer perso-nellen Einzelmaßnahme nach § 99 BetrVG zu verweigern oder einer Kündigung nach § 102 III BetrVG wirksam zu widersprechen.
Wirksame Betriebsratsbeschlüsse zu fassen, bedeutet zunächst formell und materiell ordnungsgemäß i.S.d. BetrVG zu handeln. Formell ordnungsgemäß handelt der Betriebsrat dann, wenn er im Rahmen seiner Kompetenz nach ordnungsgemäßer Ladung mit entsprechender Tagesordnung in einer Betriebsratssitzung einen Beschluss fasst. Die Beschlüsse werden sind in nicht öffentlicher Sit-zung (§ 30 S. 4 BetrVG) grds. mit der Mehrheit der Stim-men der anwesenden Mitglieder gefasst (§ 33 I 1 BetrVG)
Dieses formell ordnungsgemäße Handeln des Betriebsrats im Rahmen der Beschussfassung wird durch die Corona-Pandemie vor Herausforderungen gestellt, da viele Betrie-be geschlossen sind oder sämtliche Betriebsangehörigen – und damit auch die Betriebsratsmitglieder – im home-office tätig sind.
Die Bundesregierung plant, § 129 BetrVG einzufügen, um Beschlussfassungen eines Betriebsrates auch außerhalb von Präsenzsitzungen zu fassen. Die bisher bekannte geplante Neufassung des § 129 BetrVG ist zu Erreichung dieses Ziel ungeeignet. Gleiches gilt für die geplanten Neu-regelungen in § 39 SprAuG, in § 41b EEBR und in § 48 SE-Beteiligungsgesetz.

II. Aktuelle Rechtslage

§ 30 BetrVG verhält sich zu der Frage der Präsenzsitzung oder der Möglichkeit einer telefonischen oder audiovisuellen Übertragung der Betriebsratssitzung nicht. § 30 S. 4 BetrVG enthält lediglich die Regelung, dass die Sitzungen des Betriebsrats nicht öffentlich sind. Damit soll eine sachliche Beratung unbeeinflusst von nicht zur Teilnahme berechtigten Personen gewährleistet werden. Nichtöffentlichkeit bedeutet, dass an den Sitzungen des Betriebsrats außer dessen Mitglieder bzw. Ersatzmitglieder nur diejenigen Personen teilnehmen dürfen, denen es aufgrund gesetzlicher Regelung gestattet ist (GK-BetrVG/Raab, § 30, Rn. 19.). Sitzungen des Betriebsrats gem. § 30 S. 1 Be-trVG setzen die gleichzeitige Anwesenheit der Betriebsratsmitglieder sowie der sonstigen teilnahmeberechtigten Personen voraus (Raab, a.a.O., § 33, Rn. 10.).
Die Beachtung des in § 30 S. 4 BetrVG normierten Gebots der Nichtöffentlichkeit von Betriebsratssitzungen ist grds. wesentlich ist für die Wirksamkeit eines in der Sitzung ge-fassten Betriebsratsbeschlusses (BAG, ArbRAktuell 2015, 136 m. Anm. Vormbaum-Heinemann). Durch das Gebot der Nichtöffentlichkeit von Betriebsratssitzungen wird nicht nur die Amtsführung des Betriebsrates, sondern auch die der einzelnen Betriebsratsmitglieder geschützt.
Zu beachten ist auch, dass gem. § 33 I 1 BetrVG Beschlüsse des Betriebsrats mit der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder gefasst werden. Somit verlangt auch § 33 I 1 BetrVG nicht unmittelbar Präsenzsitzungen. Zu klären ist, was „Anwesenheit“ i.S.d. § 33 I 1 BetrVG verlangt.
Derzeit geregelt ist lediglich, dass eine Beschlussfassung im Umlaufverfahren unzulässig ist (BAG, RdA 75, 390). Gleiches gilt für Abstimmungen im Wege moderner elektronischer Kommunikationsmittel (E-Mail, Internet, IP-Telefonie, Chatroom, Videokonferenzen etc.), weil diese ebenfalls keine gleichzeitige unmittelbare und umfassende Kommunikation zwischen sämtlichen Mitgliedern gewährleisten (ErfK/Koch, BetrVG, § 33, Rn. 3). Dies gilt auch, wenn sämtliche Betriebsratsmitglieder mit diesem Verfahren einverstanden sind, weil die Nutzung moderner Kommunikationsmittel nicht nur die mündliche Beratung des Entscheidungsgegenstandes durch die Betriebsratsmitglieder, sondern auch das Teilnahmerecht anderer Personen an Betriebsratssitzungen und ihrer Einwirkungsmöglichkeit auf Betriebsratsbeschlüsse unterlaufen würde. Auch durch telegraphische oder fernmündliche Umfragen kann im Gegensatz zu § 108 IV AktG kein Beschluss gefasst werden (LAG Frankfurt a.M., BeckRS 1991, 40885 zum hess. Personalvertretungsrecht). Ebenso wenig genügt es, wenn der BR-Vorsitzende nacheinander mit den einzelnen Betriebsratsmitgliedern spricht. Eine Beschlussfassung im Wege der Konferenzschaltung (etwa per Videokonferenz) kann zwar den Anforderungen an die gleichzeitige Anwesenheit genügen, stellt jedoch regelmäßig einen Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit dar (Raab, a.a.O., § 33, Rn. 11, Fitting, BetrVG, § 33, Rn. 21b, DKKW/Wedde,, § 33, Rn. 11.).
Die überkommende Meinung, dass Betriebsratsbeschlüsse nur in Präsenzsitzungen gefasst werden können, ergibt sich folglich nicht aus dem Gesetzeswortlaut des BetrVG selbst, sondern aus einer Auslegung und Berücksichtigung des § 30 S.1, S. 4 und § 33 I 1 BetrVG, ohne dass dies vom BAG je konkret ausgesprochen worden wäre. Die vielfach geäußerte Meinung, dass Beschlussfassungen ohne Präsenzsitzungen im Betriebsratsgremium nicht möglich sind, findet folglich im Gesetzwortlaut und in der Rechtsprechung keine unmittelbare Stütze, ist jedoch im Ergebnis dennoch richtig. Nur Präsenzsitzungen erlauben es dem BR-Vorsitzenden jederzeit seiner Verantwortung für eine ordnungsgemäße Sitzungsleitung gerecht zu wer-den. Nur so kann die tatsächliche Präsenz und somit die Beschlussfähigkeit geprüft werden – nur so ist die umfassende Kommunikation in Sprache, Mimik und Gestik zwischen den Mitgliedern des Betriebsrates und letztlich auch eine geheime und von Dritten unbeeinflusste Abstimmung möglich.

III. Ministererklärung vom 23.3.2020

Durch eine Ministererklärung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 23.3.2020 sollte Ruhe in die Betriebsratsarbeit gebracht werden. In seiner Erklärung hat der Minister die Auffassung vertreten, dass Betriebsratsbeschlüsse auch per Video- oder Telefonkonferenz gefasst werden könnten. Diese „Beruhigungs-Pille“ erweist sich bei näherem Hinsehen als Trugschluss. Die Ministererklärung gibt selbstverständlich nur die Rechtsmeinung des Bundesministeriums für Arbeit wieder, ohne rechtssetzenden Charakter zu haben.

IV. Geplante gesetzliche Neuregelung

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat eine Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag zum Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der beruflichen Weiterbildung im Strukturwandel und zur Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung (Ausschussdrucksache 19(11)581 vom 9.4.2020) beschlossen. Die gesetzliche Neuregelung soll wie folgt lauten:
㤠129 BetrVG РSonderregelungen aus Anlass der Covid-19-Pandemie

(1) Die Teilnahme an Sitzungen des Betriebsrats, Gesamtbetriebsrats, Konzernbetriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung und der Konzern-Jungend- und Auszubildendenvertretung sowie die Beschlussfassung können mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Eine Aufzeichnung ist unzulässig. § 34 Abs. 1 S. 3 BetrVG gilt mit der Maßgabe, dass die Teilnehmer ihre Anwesenheit gegenüber dem Vorsitzenden in Textform bestätigen.
(2) Für die Einigungsstelle und den Wirtschaftsausschuss gilt Abs. 1 S. 1 u. 2 entsprechend.
(3) Versammlungen nach den §§ 42, 53 und 71 können mittels audiovisueller Einrichtungen durchgeführt werden, wenn sichergestellt ist, dass nur Teilnahme berechtigte Personen Kenntnis von dem Inhalt der Versammlung nehmen können. Eine Aufzeichnung ist unzulässig.
(4) Die Sonderregelungen nach den Abs. 1 – 3 treten mit Ablauf des 31.12.2020 außer Kraft.“
Aus der Sicht des Ausschusses für Arbeit und Soziales sollen die Änderungen rückwirkend ab dem 1.3.2020 Geltung haben, um bereits beschlossene Vereinbarungen nicht zu gefährden (Ausschussdrucksache 19(11)581 vom 9.4.2020, S. 3).
Diese gesetzliche Neuregelung wirft eine Reihe von Fragen auf.

1. Entscheidung über Art und Weise der Durchführung der Sitzung

Die gesetzliche Neuregelung erlaubt unter weiteren Voraussetzungen die Teilnahme an BR-Sitzungen mittels Video- und Telefonkonferenz. Die Formulierung legt es nahe, dass das BR-Mitglied selbst entscheiden kann, auf welche Weise die Teilnahme an der Sitzung erfolgt. Die Verantwortung für den ordnungsgemäßen Sitzungsablauf trägt jedoch der BR-Vorsitzende. Es obliegt seiner Entscheidung und Organisation, wann und wo Betriebsratssitzungen stattfinden. Diese Fragen gehören zu Führung der laufen-den Geschäfte eines Betriebsrates. Die Frage, ob eine BR-Sitzung virtuell erfolgt und damit, ob die Teilnahme mittels Video- „und“ (gemeint wahrscheinlich „oder“) Telefonkonferenz gestattet werden soll, obliegt daher dem BR-Vorsitz bzw. einem Betriebsausschuss (§ 27 II 1, III BetrVG) und nicht dem einzelnen BR-Mitglied selbst. Dies hätte eine gesetzliche Regelung klarzustellen.

2. Abgrenzung zu § 30 S. 4 BetrVG

Die Untauglichkeit der geplanten gesetzlichen Neuregelung zeigt sich am deutlichsten daran, dass das Verhältnis zu § 30 S. 4 BetrVG nicht geklärt ist. Der Grundsatz der nicht öffentlichen Sitzung bleibt durch die geplante Neuregelung unberührt – die geplante Teilnahme an einer BR-Sitzung über Video- und Telefonkonferenz soll nur möglich sein, „wenn sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können“. Damit erweist sich die geplante Neuregelung als „Mogelpackung“. Die Notwendigkeit von Präsenzsitzungen folgt nach der Rechtsprechung und Kommentarliteratur ja gerade daraus, dass in Video- und Telefonkonferenzen eben nicht sichergestellt werden kann, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Es geht um das Verhindern einer abstrakten Möglichkeit, von der Arbeit des Betriebsrates und der Amtsführung einzelner Mitglieder Kenntnis zu erlangen und ggf. hierauf Einfluss zu nehmen (Jesgarzewski/Holzendorf, NZA 2012, 1021, 1022). Damit würde die gesetzliche Neuregelung die derzeitige Rechtslage nicht verändern und ihren Zweck damit vollständig verfehlen.
Die „Sicherstellung, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können“ wirft auch inhaltlich mehr Fragen als Antworten auf. Diese gesetzlich geforderte „Sicherstellung“ stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, bei dem zudem unklar ist, wen diese Verpflichtung trifft – den BR-Vorsitz oder das BR-Mitglied, das im Rahmen des mobilen Arbeitens an einer BR-Sitzung teil-nimmt? Dem LAG wird bei der Beurteilung eines unbestimmten Rechtsbegriffs ein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Die Frage der Wirksamkeit eines BR-Beschlusses kann im Wege des Beschlussverfahrens überprüft werden (§ 2a I Nr. 1 ArbGG), womit der Untersuchungsgrundsatz zur Anwendung kommt (§ 83 I 1 ArbGG). Das Gericht hat somit im Rahmen der gestellten Anträge den für die Entscheidung erheblichen Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Auf die Frage, ob das BR-Mitglied seine Teilnahme als „sicher“ empfunden hat, kommt es daher nicht an – gleiches gilt für die Annahme des BR-Vorsitzenden, ob er die Teilnahme eines BR-Mitgliedes als „sicher“ empfunden hat. Spätestens hier stellt sich die Frage nach dem Vertrauensschutz für den Arbeitgeber. Unbestritten darf der Arbeitgeber durch die Verletzung von Mitbestimmungsrechten keinen Vorteil erlangen. Der Arbeitgeber soll jedoch auch nicht für Fehler bestraft werden, die der Risikosphäre des Betriebsrates zuzuordnen sind (vgl. eingehend Richardi/Thüsing, BetrVG, § 33, Rn 33). Damit wird das Risiko einer wirksamen Beschlussfassung im Betriebs-rat beschrieben. Der Arbeitgeber hat keine rechtlichen Einflussmöglichkeiten auf die Beschlussfassung des Betriebsrates – Fehler gehen daher zu Lasten des Betriebsrates (BAG; BeckRS 2003, 40909 zum Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG). Diese Logik hilft allerdings bei den Kurzarbeitsbetriebsvereinbarungen nicht weiter – Fehler in der Beschlussfassung des Betriebsrates führen zu einer im Untersuchungsgrundsatz zu ermittelnden Nichtigkeit einer Betriebsvereinbarung, wenn gegen das Gebot der Nichtöffentlichkeit verstoßen worden ist (BAG, ArbRAktuell 2015, 136). Damit behalten die Mitarbeiter ihren Lohnanspruch in Höhe von 100 % und Arbeitgeber erhalten nicht die Möglichkeit, sich etwaig gezahltes Kurzarbeitergeld erstatten zu lassen. Vertrauensschutz können Arbeitgeber für sich nicht in Anspruch nehmen – die Bedenken gegen Beschlussfassungen im Rahmen einer Videokonferenz liegen auf der Hand.

3. Umgang mit Verhinderungsfällen gem. § 25 I 2 BetrVG

Die geplante gesetzliche Neuregelung macht die Beschlussfassung im Betriebsrat auch deswegen unsicher, da die ordnungsgemäße Ladung zu Betriebsratssitzungen nicht mehr sichergestellt ist. Die ordnungsgemäße Ladung aller stimmberechtigten Mitglieder einschließlich etwaiger Ersatzmitglieder gehört zu den Verfahrensvorschriften, deren Verletzung zur Unwirksamkeit eines BR-Beschlusses führen können (BAG, BeckRS 2006, 43873). Der Betriebsratsvorsitzende hat die Mitglieder des Betriebsrates zu einer Sitzung zu laden (§ 29 II 3 BetrVG). Für ein verhindertes Mitglied ist das Ersatzmitglied zu laden (§ 29 II 6 BetrVG). Verhindert ist ein BR-Mitglied nach § 25 I 2 BetrVG, wenn es aus tatsächlichen oder rechtlichen Grün-den nicht in der Lage ist, die ihm zukommenden Amtsgeschäfte zu besorgen (ErfK/Koch, BetrVG, § 25 Rn. 3). Fraglich ist somit, ob Ersatzmitglieder zu laden sind, wenn der Betriebsrat mittels Video- oder Telefonkonferenz eine Sitzung abhält, ein BR-Mitglied aber nicht die technische Möglichkeit (fehlende Hardware, schadhafte Software, fehlender Internetzugang mit ausreichender Leistungs-stärke etc.) oder nicht die notwendige Kenntnis besitzt, virtuell an einer BR-Sitzung teilzunehmen. Die Entscheidung über die Eröffnung virtueller Teilnahmemöglichkeiten an der BR-Sitzung hat somit ggf. auch Einfluss auf die zu ladenden Personen und damit die Zusammensetzung des Betriebsrates.

4. Möglichkeiten der Rückwirkung

Bzgl. der angedachten Rückwirkung sei lediglich darauf verwiesen, dass es sich regelmäßig um einen Fall der echten Rückwirkung handeln dürfte. Gerade bzgl. Kurzarbeitergeldvereinbarungen dürfte es sich i.d.R. um Fälle handeln, die jedenfalls zum Teil in der Vergangenheit bereits abgeschlossen sind (z.B. Kurzarbeit für den Monat März 2020). Der rückwirkende Eingriff in den bereits vollständig erdienten Entgeltanspruch eines Arbeitnehmers z.B. für den Monat März begegnet grundsätzlichen verfassungs-rechtlichen Bedenken (Art. 20 GG).

V. Fazit

Der Entwurf des Ausschusses für Arbeit und Soziales ist nicht hilfreich. Die Praxisprobleme bzgl. der Fassung rechtssicherer BR-Beschlüsse liegen auf der Hand. Geboten wäre die Klarstellung, wie der Begriff der Nichtöffentlichkeit aus § 30 S. 4 BetrVG auszulegen ist. Der Ausschuss ersetzt mit seiner Formulierungshilfe den Begriff der Nichtöffentlichkeit aus § 30 S. 4 BetrVG durch einen anderen Begriff: „der Sicherstellung, dass Dritte vom In-halt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können“. Im Ergebnis werden Begriffe getauscht, ohne Lösungen zu bieten. Betriebsräte und Arbeitgeber sind daher weiterhin gut beraten, wenn BR-Beschlüsse auch weiterhin in Präsenzsitzungen gefasst werden. Betriebsvereinbarungen zur Kurzabeit dürften auch mit der geplanten Gesetzesänderung unwirksam bleiben, wenn sich dies z.B. auf einen in der Vergangenheit abgeschlossenen Monat beziehen.
Völlig ungelöst bleiben Regelungen zur zeitweiligen Verhinderung von BR-Mitgliedern, wenn technische Voraussetzungen im Home-Office des BR-Mitgliedes nicht vorliegen.
Klar dürfte nur sein, dass Betriebsräte, die einen neuen § 129 BetrVG ernst nehmen, nicht einen „groben“ Verstoß gegen ihre gesetzlichen Verpflichtungen i.S.d. § 23 BetrVG begehen.

Dr. Knut Müller

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Sozialrecht

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