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Annahmeverzugslohn – Auskunft hinsichtlich anderweitigen Erwerbs

BAG, Urteil vom 27.05.2020 – 5 AZR 387/19 (LAG Thüringen, Urteil vom 02.07.2020 – 1 Sa 369/17)

Der Arbeitgeber hat gegen den Arbeitnehmer, der Vergütung wegen Annahmeverzugslohn fordert, einen Auskunftsanspruch über die von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter unterbreiteten Vermittlungsvorschlägen. Grundlage des Auskunftsbegehrens ist eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis nach § 242 BGB.

Sachverhalt

Die Beklagte forderte vom Kläger im Zusammenhang mit einer Klage auf Vergütung wegen Annahmeverzugs widerklagend Auskunft über die dem Kläger von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter übermittelten Stellenangeboten.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Bauhandwerker beschäftigt. Diese sprach dem Kläger gegenüber eine Kündigung aus, gegen die dieser obsiegend Kündigungsschutzklage einlegte. Der Kläger erhob Klage auf Zahlung von Annahmeverzugslohn, woraufhin die Beklagte Auskunft über die dem Kläger von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter während des geltend gemachten Annahmeverzugszeitraums übermittelten Stellenangebote forderte.

Das Arbeitsgericht hat der Widerklage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Das Bundesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Revision ebenfalls zurückgewiesen.

Der Anspruch der Beklagten auf Auskunft über die von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter unterbreiteten Vermittlungsvorschläge unter Nennung von Tätigkeit, Arbeitsort und Vergütung ergebe sich aus einer Nebenpflicht des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis gemäß § 242 BGB.

Zwar kenne die ZPO keine – über die anerkannten Fälle des substantiierten Bestreitens hinaus – Aufklärungspflicht der nicht darlegungs- und beweisbelasteten Partei. In Rechtsprechung und Schrifttum sei allerdings anerkannt, dass nach Treu und Glauben Auskunftsansprüche bestehen können. Voraussetzung hierfür ist es, dass die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien es mit sich bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über den bestehenden Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann, ohne dass durch die Gewährung materiell-rechtlicher Auskunftsansprüche die Darlegungs- und Beweissituation im Prozess unzulässig verändert werden.

Hiervon ausgehend sei die Beklagte in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang der Vermittlungsangebote im Ungewissen gewesen. Sie hätte keine andere rechtmäßige Möglichkeit gehabt, sich die zur Begründung ihrer Einwendung nach § 11 Nr. 2 KSchG notwendigen Informationen zu beschaffen, wonach eine Anrechnung anderweitig erzielten oder böswillig unterlassenen Verdienstes kraft Gesetzes erfolgt und die Entstehung des Annahmeverzugsanspruchs teilweise hindere.

Der Kläger sei auch unschwer in der Lage gewesen die entsprechenden Auskünfte zu geben. Insbesondere stehe das durch § 35 SGB I geschützte Sozialgeheimnis einem Auskunftsanspruch gegenüber der Agentur für Arbeit im Wege.

Zudem führt das Bundesarbeitsgericht aus, der Arbeitnehmer sei aufgrund der Regelung des § 2 Abs. 5 SGB III zur aktiven Mitarbeit bei der Vermeidung bzw. Beendigung der Arbeitslosigkeit verpflichtet. Ferner bestehe nach § 38 Abs. 1 SGB III die Verpflichtung, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts des Arbeitsverhältnisses bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden. Aus diesem Grund werde an älterer Rechtsprechung, wonach die Weigerung des Arbeitnehmers, sich arbeitslos zu melden, kein böswilliges Unterlassen im Sinne des § 11 Nr. 2 KSchG darstelle, nicht länger festgehalten.

Praxishinweise

Das Urteil des Bundesarbeitsgericht hat Relevanz in der arbeitsrechtlichen Praxis, sowohl bei der Arbeitgeber- als auch bei der Arbeitnehmerberatung.

Zum einen stärkt es das Instrument der Einrede des böswilligen unterlassenen anderweitigen Erwerbs des Arbeitgebers und verringert gleichzeitig das Annahmeverzugsrisiko des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess. Zum anderen verlagert es, insbesondere durch die Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung des BAG, das Risiko teilweise auf den Arbeitnehmer, der zur aktiveren Mitarbeit bei der Arbeitssuche angehalten wird.

Lena Schomann
Rechtsanwältin

dkm Rechtsanwälte. Kanzlei für Arbeitsrecht.
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