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Der deutsche Sonderkündigungsschutz eines Datenschutzbeauftragten auf dem Prüfstand – Ist der Sonderkündigungsschutz europarechtswidrig?

Personengruppen, die vom Gesetzgeber als besonders schutzwürdig angesehen werden, genießen in Deutschland Sonderkündigungsschutz. Dieser wird durch besondere gesetzliche Schutzvorschriften zugunsten der jeweiligen Personengruppe sichergestellt. Zu den bekanntesten Personengruppen, gehören beispielsweise Betriebsratsmitglieder, Schwerbehinderte, Schwangere oder Mitarbeiter in Elternzeit. Doch auch ein Datenschutzbeauftragter genießt nach deutschem Recht Sonderkündigungsschutz. Zumindest noch.

Die Ausgangslage

In dem zugrundeliegenden Fall streiten eine Arbeitnehmerin, welche zugleich von ihrem Arbeitgeber zur betrieblichen Datenschutzbeauftragten benannt wurde, und ihr Arbeitgeber über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses. Dabei beruft sich die Arbeitnehmerin auf ihren Sonderkündigungsschutz als Datenschutzbeauftragte nach § 38 Abs. 2 i. V. m. § 6 Abs. 4 S. 2 BDSG. Der Arbeitgeber hingegen vertritt die Auffassung, dass die innerstaatliche Regelung gegen Art. 38 DS-GVO verstoße, unwirksam sei und ein Sonderkündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte nicht bestehe. Aus diesem Grund sei dann auch die gegenüber der Arbeitnehmerin ausgesprochene Kündigung wirksam.

Das ArbG Nürnberg (Urteil vom 22.07.2019 – 3 Ca 4080/18) und das LAG Nürnberg (Urteil vom 19.02.2020 – 2 Sa 274/19) gaben der Kündigungsschutzklage der Datenschutzbeauftragten mit Verweis auf die ordentliche Unkündbarkeit des Datenschutzbeauftragten statt und erklärten den weitergehenden Kündigungsschutz des BDSG für europarechtlich zulässig

Gegen die Entscheidung des LAG Nürnberg wurde Revision eingelegt.

Die Vorlage zum EuGH

Das BAG legte den Rechtsstreit dem EuGH zur Entscheidung vor (Beschluss vom 30.07.2020 – 2 AZR 225/20), da nach nationalem Recht die ausgesprochene Kündigung gegenüber der Arbeitnehmerin, die zugleich Datenschutzbeauftragte ist, nichtig wäre (§ 38 Abs. 2 i. V. m. § 6 Abs. 4 S. 2 BDSG und §134 BGB). Ob der nationale Sonderkündigungsschutz (§ 38 Abs. 2 i. V. m. § 6 Abs. 4 S. 2 BDSG) überhaupt anwendbar ist, hängt nach Auffassung des Senats davon ab, ob nach Unionsrecht (Art. 38 Abs. 3 S. 2 DS-GVO) eine mitgliedstaatliche Regelung zulässig ist, durch die eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Datenschutzbeauftragten an strengere Voraussetzungen als an die Voraussetzungen nach dem Unionsrecht geknüpft ist. Wären die nationalen Vorschriften zum Sonderkündigungsschutz eines Datenschutzbeauftragten ( § 38 Abs. 2 i. V. m. § 6 Abs. 4 S. 2 BDSG) nicht anwendbar, so hätte die Revision der Beklagten Erfolg.

Das BAG geht davon aus, dass die DS-GVO verbindlich und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat wirkt und das Unionsrecht Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten hat. Ein solches Verständnis der Wirkung der DS-GVO berücksichtigt insbesondere den Zweck der DS-GVO, überall in der EU prinzipiell ein gleiches Datenschutzrecht zu implementieren. Die DS-GVO regelt nun als vorrangige unionsrechtliche Rechtsquelle, dass ein Datenschutzbeauftragter wegen der Erfüllung seiner Aufgaben nicht abberufen oder benachteiligt werden dürfe, Art. 38 Abs. 3 S. 2 DS-GVO. Das BAG sieht diese Regelung nicht als gleichbedeutend mit einem generellen Kündigungsverbot des Datenschutzbeauftragten an. Deswegen käme es darauf an, ob der Sonderkündigungsschutz Gegenstand der materiell-rechtlichen Gesetzgebungskompetenz der Union sei. Nach Ansicht des BAG ist fraglich, ob die Verknüpfung der Bestellung eines Datenschutzbeauftragten mit seiner arbeitsrechtlichen Stellung im Unternehmen im Ergebnis dazu führt, dass teilweise, nämlich für die materiell-arbeitsrechtlichen Regelungen, keine unionsrechtliche Gesetzgebungskompetenz besteht. Dann ginge das nationale Recht insoweit vor.

Praxishinweise

Ob der EuGH den umfassenden Sonderkündigungsschutz eines Datenschutzbeauftragten als europarechtskonform einschätzt, bleibt abzuwarten.

Bis es zu einem Urteil des EuGH im dargestellten Verfahren kommt, sollte der Arbeitgeber jedenfalls kritisch prüfen, ob die Bestellung eines Arbeitnehmers zum internen Datenschutzbeauftragten, der im Zweifel ab dem Tag der Bestellung zum Datenschutzbeauftragten Sonderkündigungsschutz genießt, erforderlich ist, oder ob sich die Alternative eines externen Datenschutzbeauftragten ggfs. nicht insgesamt als vorteilhafter darstellt. Auch eine nur befristete Bestellung eines Arbeitnehmers zum internen Datenschutzbeauftragten kann hier in Erwägung gezogen werden. Die Rechtsprechung hat zwar die Frage der Zulässigkeit einer befristeten Bestellung bisher nicht geklärt, es sprechen jedoch gute Argumente für die Zulässigkeit einer befristeten Bestellung zum Datenschutzbeauftragten, zumindest solange die Befristung nicht kürzer als zwei Jahre andauert.

Jedenfalls ist hier abschließend zu bedenken, dass die Anforderungen an einen „wichtigen Grund“ für eine außerordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers von der Rechtsprechung bekanntlich hoch angesetzt werden. Auch die Nachwirkung des Sonderkündigungsschutzes für ein weiteres Jahr sollte vom Arbeitgeber bei der Entscheidungsfindung hinsichtlich der Bestellung eines Datenschutzbeauftragten nicht unterschätzt werden.

Melanie Pless
Rechtsanwältin

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