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Das neue Recht auf mobiles Arbeiten – Aktueller Beratungsstand des Gesetzesentwurfs zum mobilen Arbeiten

I. Einleitung

Seit Beginn des Jahres 2020 unterliegt die Arbeitswelt aufgrund der Einschränkungen durch die Covid-19-Pandemie einem grundlegenden Transformationsprozess. Durch vielfältige Reisebeschränkungen und Vorsorgemaßnahmen zur Verhütung von Ansteckungsrisiken, entdeckten Arbeitnehmer wie Arbeitgeber den Nutzen des mobilen Arbeitens und der Arbeit im Home-Office. Entgegen erster Befürchtungen, stellt sich das zunächst aus einer Notwendigkeit geborene Arbeiten abseits des arbeitsvertraglich vereinbarten Dienstortes als in vielerlei Hinsicht vorteilhaft dar. Diese Entwicklung ist auch dem Bundesarbeitsministerium (BMAS) nicht entgangen, das nun einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorgelegt hat.

II. Bisherige Rechtslage während der Pandemie

Bereits die Tatsache, dass die Verabschiedung eines Gesetzes zur mobilen Arbeit geplant ist, weist darauf hin, dass explizite gesetzliche Regelungen fehlen, die einen Anspruch des Arbeitnehmers auf mobile Arbeit begründen. Inwieweit es Arbeitnehmern möglich ist, abseits ihres Dienstortes tätig zu werden, kann nach aktueller Rechtslage nur durch Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber oder per Betriebsvereinbarung geregelt werden. Die jüngste Rechtsprechung folgt in Teilen der – u.E. zumindest diskussionswürdigen – Rechtsauffassung (Krieger/Rudnik in NZA 2020, 473 ff. m.w.N.), dass Arbeitgeber „aufgrund einer Notsituation“ in engen Grenzen von ihrem erweiterten Direktionsrecht (§ 106 GewO) Gebrauch machen können, um auch nicht erkrankte Mitarbeiter ohne zuvor getroffene Vereinbarung „in das Home-Office schicken“ zu können. Die derzeit herrschende Meinung hingegen geht zurecht davon aus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ohne entsprechende Vereinbarung nicht zwingen kann von zuhause aus zu arbeiten, mit der weiteren Konsequenz am Ende des Tages den Lohn des Arbeitnehmers (nach-)zahlen zu müssen

III. Gesetzesentwurf des BMAS

Auch wenn die aktuelle pandemische Lage zum Anlass genommen wurde, einen entsprechenden Gesetzesentwurf einzubringen, sieht bereits der Koalitionsvertrag der Bundesregierung vom 12.03.2018 vor, rechtliche Rahmenbedingungen für das mobile Arbeiten zu schaffen.  Der vom BMAS erarbeitete Referentenentwurf wird nach aktuellem Stand, mehrere – bereits bestehende – Regelungen modifizieren und ergänzen, die nachfolgend kurz dargestellt werden sollen.

1. Änderung der Gewerbeordnung (GewO)

Der vom BMAS vorgelegte Gesetzesentwurf sieht vor, die derzeit noch weggefallenen §§ 111 und 112 GewO wieder einzufügen. Im Kern bilden diese Normen den Inhalt des neuen „Rechts auf mobiles Arbeiten“. So wird zunächst definiert, was unter „mobiler Arbeit“ zu verstehen ist. Während der erste Referentenentwurf des BMAS noch einen Anspruch des Mitarbeiters auf mobile Arbeit im Umfang von 24 Tagen im Jahr vor (bezogen auf eine 5-Tage-Woche) vorsah, soll ein solcher Anspruch nach dem jüngsten, zweiten Arbeitspapier (Referentenentwurf des BMAS vom 14. Januar 2021) nicht mehr gewährt werden. Ist die Voraussetzung eines für mobile Arbeit geeigneten Arbeitsplatzes gegeben, hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, das Begehren des Arbeitnehmers, mobil zu arbeiten, begründet in Textform (§ 126 b BGB) abzulehnen, solange dem Mitarbeiter die Ablehnung spätestens zwei Monate nach seiner Mitteilung zugeht. Der derzeitige Referentenentwurf normiert zum aktuellen Zeitpunkt keine konkreten Ablehnungsgründe. Unter welchen Voraussetzungen somit eine „begründete Ablehnung“ vorliegt ist derzeit noch nicht geklärt und wird – sofern die Formulierung so belassen wird – von der Rechtsprechung mit Leben zu füllen sein.

Der Arbeitgeber soll weiterhin verpflichtet werden, auch am mobilen Arbeitsplatz des Arbeitnehmers die geltenden Arbeitsschutzgesetze umzusetzen und deren Einhaltung sicherzustellen. So hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unter anderen darüber zu informieren, wie die Sicherheit und Gesundheit des Arbeitnehmers gewährleistet werden soll (§ 111 Abs. 6 GewO n.F.), womit unter anderem eine vorgeschaltete Gefährdungsbeurteilung i.S.d. Arbeitsschutzgesetzes und eine Festlegung von Schutzmaßnahmen seitens der Arbeitgebers einhergeht.

Nachdem Arbeitgeber bereits seit der jüngsten europäischen Rechtsprechung (vgl. EuGH, Urteil vom 14.05.2019 – C 55/18) dazu verpflichtet werden sollen, die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter minutengenau zu erfassen, will auch der Referentenentwurf des BMAS mit dem (wieder) eingefügten § 112 GewO, die Arbeitgeber verpflichten, über die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter während der „mobilen Arbeit“ zu wachen (vgl. § 112 n.F.). Zwar stellt der Referentenentwurf es den Vertragsparteien frei, wer die Arbeitszeiterfassung durchführt, jedoch bleibt der Arbeitgeber für die korrekte Zeiterfassung letztverantwortlich. Sollte sich der Arbeitgeber hierbei elektronische Zeiterfassungssysteme zunutze machen, sind die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu wahren.

2. Weitere angedachte Änderungen

Neben der GewO soll nach dem derzeitigen Beratungsstand auch das BetrVG und das SGB VII an das „mobile Arbeiten“ angepasst werden. Nach Wunsch des BMAS soll ein zusätzlicher Mitbestimmungstatbestand, der § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG eingeführt werden. Danach habe der Betriebsrat bei „Einführung und Ausgestaltung von mobiler Arbeit“ mitzubestimmen, mit der weiteren Möglichkeit ggf. die Einigungsstelle anzurufen (vgl. § 87 Abs. 2 BetrVG).

Daneben soll der bisherige Unfallversicherungsschutz (SGB VII) auch auf das mobile Arbeiten erstreckt werden, und zwar dergestalt, dass das mobile Arbeiten hinsichtlich des Versicherungsschutzes nun mit einer Tätigkeit am vertraglich vereinbarten Dienstort gleichgestellt werden soll.

IV. Aktueller Stand der Beratungen

Die größte Uneinigkeit innerhalb der Bundesregierung herrscht derzeit im Hinblick auf eine Erweiterung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats und dem neu einzufügenden § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG, was derzeit von CDU/CSU kategorisch abgelehnt wird. Insofern bleibt abzuwarten, ob und wenn ja in welcher Qualität (Mitbestimmungs-, Beteiligungs- oder Informationsrecht?) die Rechte des Betriebsrats in diesem erweitert werden.

V. Fazit

Auch wenn viele Unternehmen ihren Mitarbeitern bereits seit Jahren die Möglichkeit einräumen, im Home-Office oder mobil zu arbeiten, fungierte die „Corona-Pandemie“ als Brandbeschleuniger der Digitalisierung in den Unternehmen. Arbeitgeber waren zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes gezwungen, den digitalen Wandel voranzutreiben, Arbeitsabläufe und Umgebungen zu digitalisieren und umzugestalten. Neben der grundlegenden Übereinkunft im Koalitionsvertrag der derzeitigen Bundesregierung, war die aktuelle pandemische Lage auch für das BMAS Anlass, rechtliche Rahmenbedingungen für das mobile Arbeiten zu schaffen. Auch wenn die konkrete Ausgestaltung noch offen ist, wird auf absehbare Zeit ein entsprechendes Gesetz verabschiedet werden. Der Gesetzgeber hat schließlich erkannt, dass sich die beschriebene Entwicklung auch nach Ende der Pandemie fortsetzen wird – der Trend geht zur mobilen Arbeit – und es deshalb eines rechtlichen Rahmens bedarf.

Derzeit ist noch nicht abschätzbar, inwieweit sich das geplante Gesetz als Papiertiger entpuppt und lediglich den administrativen Aufwand für Behörden, Arbeitgeber und Arbeitnehmer erhöht. Viele Unternehmen räumen ihren Mitarbeitern ohnehin bereits die Möglichkeit ein, mobil zu arbeiten, andere bauen ihre Kapazitäten am Firmenstandort zugunsten von Home-Office-Lösungen ab (z.B. sog. Desksharing). All jene Arbeitnehmer, die entweder keine für mobile Arbeit geeignete Tätigkeit ausüben, profitieren – zumindest nach derzeitigem Stand – nicht vom neuen Gesetz. Hinzutreten jene Mitarbeiter, die zwar grundsätzlich eine für das „mobile Arbeiten“ geeignete Tätigkeit ausüben, jedoch aufgrund von – derzeit noch nicht konkret definierten – Ablehnungsgründen des Arbeitgebers nicht in den Genuss kommen, mobil zu arbeiten.

Zu befürchten bleibt, dass lediglich eine kleine Gruppe der Arbeitnehmer von der geplanten Regelung profitieren wird. Insoweit bleiben die weiteren Beratungen zum Referentenentwurf abzuwarten.