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Urlaubsanspruch bei Doppelarbeitsverhältnis nach unwirksamer Kündigung

BAG, Urteil vom 05.12.2023 – 9 AZR 230/22

I. Einleitung

Wird ein Arbeitnehmer gekündigt und stellt sich später die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung heraus, kann dies zum Bestehen eines sogenannten Doppelarbeitsverhältnis führen, wenn der gekündigte Arbeitnehmer in der Zwischenzeit eine neue Beschäftigung aufgenommen hat. Im Jahr 20212 entschied das BAG, dass im Falle von  solcher Doppelarbeitsverhältnisse Urlaubsansprüche, die durch den neuen Arbeitgeber gewährt wurden, analog § 11 Nr. 1 KSchG und § 615 S. 2 BGB auf den gegen den alten Arbeitgeber gerichteten Urlaubsanspruch anzurechnen seien (BAG, Urteil vom 21.2.2012 – 9 AZR 487/10). In Fortführung dieser Entscheidung aus dem Jahr 2012 stellte das BAG nunmehr klar, wie diese Anrechnung vorzunehmen ist.

II. Sachverhalt

Die Klägerin, die bei ihrem Arbeitgeber einen Urlaubsanspruch von 25 Tagen (berechnet auf eine Fünftagewoche) pro Kalenderjahr hatte, wurde Ende 2019 außerordentlich gekündigt. Die Kündigung war, wie sich später herausstellte, rechtswidrig. Aufgrund einer weiteren außerordentlichen Kündigung vom 07.05.2021 endete das Arbeitsverhältnis der Parteien vor Ablauf des Monats Mai 2021. Zum 01.02.2020 nahm die Klägerin eine neue Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber auf und erhielt von ihrem neuen Arbeitgeber im Jahr 2020 an 25 Arbeitstagen sowie von Januar bis Mai 2021 an zehn Arbeitstagen Urlaub. Sie vertrat die Ansicht,  dass der in dem neuen Arbeitsverhältnis gewährte Urlaub auf den Mehrurlaubsanspruch beim beklagten alten Arbeitgeber ausscheide und ihr dieser deshalb Urlaubsabgeltung für die Jahre 2020 und 2021 schulde. Das ArbG wies die Klage hinsichtlich der begehrten Urlaubsabgeltung ab. Das LAG wies die Berufung der Klägerin zurück. Die Revision war teilweise begründet.

III. Entscheidungsgründe

Das BAG führte aus, dass ein Abgeltungsanspruch der Klägerin bezogen auf das Jahr 2020 nicht bestehe. Zwar habe die Klägerin, auch wenn sie für den Beklagten keine Arbeitsleistung erbracht habe, einen Urlaubsanspruch erworben. Allerdings führe die Anrechnung mit dem bereits vom neuen Arbeitgeber gewährten Urlaub analog § 11 Nr. 1 KSchG, § 615 S. 2 BGB dazu, dass der Klägerin ein Urlaubsanspruch nicht mehr zustehe.

Das BAG führte aus, dass der Vergleich zwischen dem im Arbeitsverhältnis mit dem ursprünglichen Arbeitgeber entstandenen Urlaub mit dem im neuen Arbeitsverhältnis gewährten Urlaub dabei abschnittsweise, d.h. bezogen auf das jeweilige Kalenderjahr vorzunehmen sei. Ein im neuen Arbeitsverhältnis gewährter Urlaub, der den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers gegenüber seinem ursprünglichen Arbeitgeber für dasselbe Jahr übersteigt, vermindere nicht den Urlaubsanspruch gegenüber dem ursprünglichen Arbeitgeber im Folgejahr.

Im Hinblick auf die Ansprüche betreffend Urlaubstage aus dem Jahr 2021 sei der Rechtsstreit nicht zur Entscheidung reif, da das Berufungsgericht, das von einer kalenderjahresübergreifenden Betrachtung ausgegangen war, keine Feststellungen dazu getroffen habe, ob mit den durch den neuen Arbeitgeber im Jahr 2021 gewährten zehn Urlaubstagen ausschließlich Urlaubsansprüche aus diesem Jahr oder Resturlaub aus dem Vorjahr erfüllt worden seien. Folglich wurde die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

IV. Praxishinweise und Fazit

Neben der Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung zur Anrechnung von Urlaubsansprüchen und der Klarstellung der Jahresbezogenheit des Urlaubsanspruches betont das BAG in dem Urteil, dass im Rahmen der Anrechnung in Bezug auf den Urlaubsanspruch unerheblich sei, welche Urlaubsvergütung die Klägerin für die anzurechnenden Urlaubstage von ihrem neuen Arbeitgeber erhalten habe. Wäre die Urlaubsvergütung, die der Arbeitnehmer von seinem neuen Arbeitgeber bezogen hat, geringer als die Urlaubsvergütung beim alten Arbeitgeber, wäre danach von der Gesamtvergütung, die dieser nach § 11 Nr. 1 KSchG bzw. § 615 S. 1 BGB schuldet, ein geringerer Betrag in Abzug zu bringen. Als Folge hiervon könnte der Arbeitnehmer den Arbeitgeber des Ausgangsarbeitsverhältnisses auf die Zahlung einer höheren Annahmeverzugsvergütung in Anspruch nehmen. Wichtig ist dabei jedoch die Unterscheidung zwischen dem Freistellungsanspruch und der damit verknüpften Verpflichtung von Urlaubsgeld.

Victoria Engelbrecht
Rechtsanwältin

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