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Urlaubsabgeltungsanspruch kann verjähren

BAG, Urteil vom 31.01.2023 – 9 AZR 456/20

I. Einleitung

Bereits mehrfach hat der EuGH sich zur Verjährung von Urlaubsansprüchen in den vergangenen Jahren geäußert (vgl. EuGH, Urteil vom 22.09.2022, C-120/21) und auch das BAG stellte im vergangenen Jahr klar (BAG, Urteil vom 20.12.2022, Az.: 9 AZR 266/20), dass Urlaubsansprüche nur dann verjähren, wenn der Arbeitgeber seinen Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten nachkommt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht nimmt. Dass dies nicht in gleichem Maße auch für die Urlaubsabgeltungsansprüche am Ende eines Arbeitsverhältnisses gilt, zeigt die Entscheidung des BAG vom 31.01.2023.

II. Sachverhalt

Der Entscheidung lag ein Streit zwischen dem Ausbildungsleiter einer Flugschule und seinem ehemaligen Arbeitgeber über die Abgeltung von Urlaub zugrunde. Der Kläger war zunächst als Arbeitnehmer im Zeitraum von Juni 2010 bis Oktober 2015 bei der Flugschule beschäftigt, ohne dass diese dem Kläger seinen jährlichen Urlaub gewährt hätte. Im Oktober 2015 vereinbarten die Parteien, dass der Kläger fortan als selbstständiger Dienstnehmer weiter für die Beklagte tätig werden sollte. Mit seiner im Jahr 2019 erhobenen Klage begehrte der Kläger die Abgeltung von Urlaubstagen, die ihm während seiner Zeit als Arbeitnehmer nicht gewährt worden waren. Die Beklagte erhob die Einrede der Verjährung.

III. Entscheidung

Während die Vorinstanzen die Klage noch abwiesen, obsiegte der Kläger im Wege der Revision teilweise, soweit er die Beklagte auf Abgeltung von Urlaub aus den Jahren 2010 bis 2014 i.H.v. 37.416,50 € in Anspruch nimmt. Wie der IX. Senat des Bundesarbeitsgerichts ausführte, sei es Rechtsauffassung des BAG (vgl. BAG, Urteil vom 20. Dezember 2022 – 9 AZR 266/20), dass Urlaubsansprüche verjähren können, die dreijährige Verjährungsfrist jedoch erst am Ende des Kalenderjahres beginne, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch informiert und ihn im Hinblick auf Verfallsfristen aufgefordert hat, den Urlaub tatsächlich zu nehmen. Genügt der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten in diesem Zusammenhang nicht, kann der Urlaubsanspruch weder nach § 7 III BUrlG noch nach § 195 BGB verjähren und ist in der Folge bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses gem. § 7 IV BUrlG abzugelten. In Bezug auf den Urlaubabgeltungsanspruch betont das BAG in seiner aktuellen Entscheidung hingegen, dass dieser der Regelverjährung gem. § 195 BGB unterliegt, insoweit ohne dass den Arbeitgeber in diesem Zusammenhang Mitwirkungsobliegenheiten treffen. Anders als der Urlaubsanspruch diene der Abgeltungsanspruch nicht der Erholung des Arbeitnehmers, sondern der Kompensation von nicht gewährtem Erholungsurlaub. Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses ende auch die strukturell schwächere Stellung des Arbeitnehmers, aus der nach Ansicht des EuGH (s.o.) eine Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers bei der Inanspruchnahme von Urlaub resultieren soll und eine etwaige verjährungshemmende Wirkung im Hinblick auf den Urlaubsanspruch erwachsen könne.

Vorliegend ging das BAG unter Berücksichtigung von Verfassungs- und Unionsrecht davon aus, dass Verjährungsfristen nicht zu laufen beginnen können, solange eine Klageerhebung aufgrund gegenteiliger höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht zumutbar ist. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Jahr 2015 konnte vom Kläger nicht erwartet werden, seinen Urlaubabgeltungsanspruch aus den Jahren 2010 bis 2014 gerichtlich durchzusetzen, ging das BAG doch zum damaligen Zeitpunkt noch davon aus, dass Urlaubsansprüche auch ohne Beachtung der Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers nach Ablauf des Urlaubsjahres bzw. nach Ablauf des zulässigen Urlaubübertragungszeitraums verfielen. Erst nach neuerer Rechtsprechung des EuGH (s.o.) war der Kläger gehalten, seine Urlaubabgeltungsansprüche gerichtlich geltend zu machen. Demgegenüber sah das BAG den klägerischen Anspruch auf Abgeltung von Urlaub aus dem Jahr 2015 als verjährt an. Schon auf Grundlage der früheren Rechtsprechung musste der Kläger erkennen, dass die Beklagte Urlaub aus diesem Jahr, in dem das Arbeitsverhältnis der Parteien endete, abzugelten hatte. Die dreijährige Verjährungsfrist begann deshalb Ende des Jahres 2015 und endete mit Ablauf des Jahres 2018, mithin vor Klageerhebung.

IV. Fazit und Praxishinweise

In den vergangenen Jahren hat das Thema Urlaub die Gerichte stark beschäftigt. Jahrzehntelange ständige Rechtsprechung zur Geltendmachung und Verjährung von Urlaub und Urlaubsabgeltungsansprüchen hat sich geändert. Während jedoch die Entscheidung des BAG vom 20.12.2022 zum Verjährungsbeginn von Urlaubsansprüchen erst nach korrekter Erfüllung arbeitgeberseitiger Mitwirkungsobliegenheiten durchaus verständliche Kritik v. a. aus der betrieblichen Praxis erfahren hat, ist die aktuelle Entscheidung des BAG zur Verjährung von Urlaubsabgeltungsansprüchen rechtlich klar und nachvollziehbar. Die Verjährung innerhalb von 3 Jahren, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis endete, dürfte Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor keine praktischen Hürden stellen.

Felix Kratz 
Rechtsanwalt I Fachanwalt für Arbeitsrecht I Partner

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