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Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Einführung von Headsets
BAG, Beschluss vom 16.07.2024 – 1 ABR 16/23
Die fortschreitende Digitalisierung macht vor nichts halt ˗ auch nicht vor der Arbeitswelt. Freilich ist damit auch ein gewisses Konfliktpotenzial verbunden, welches sich insbesondere auf kollektiver Ebene bemerkbar macht. In diesem Zusammenhang versteht sich auch die Regelung des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Danach hat der Betriebsrat bei der Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu geeignet sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen, ein Mitbestimmungsrecht. In einem aktuellen Beschluss beschäftigt sich das BAG nun mit der Frage, ob hierrunter auch die Einführung von Headsets fällt.
Sachverhalt:
Zur Verbesserung der internen Kommunikation führte ein namhafter Bekleidungseinzelhändler ein Headset-System ein. Dieses wird über ein Internetportal von der zentralen IT-Abteilung des Konzerns in Dublin betreut, an welche das Headset-System eine Vielzahl von Daten übermittelt. Die drahtlose Live-Kommunikation mit allen Benutzern der Headsets ermöglicht es Vorgesetzten überdies zumindest theoretisch, die Gespräche mitzuverfolgen. Gespräche der Arbeitnehmer untereinander zeichnet das System allerdings nicht auf. Weil die Headsets jeden Tag nach dem Zufallsprinzip vergeben werden, wird auch nicht festgehalten, wer wann welches Headset nutzt bzw. genutzt hat. Der örtliche Betriebsrat sah seine Mitbestimmungsrechte verletzt und nahm den Arbeitgeber in Bezug auf die Einführung der Headsets auf Unterlassung in Anspruch.
Entscheidung:
In konsequenter Fortführung seiner Rechtsprechung stellte das BAG zunächst fest, dass für die Einschlägigkeit des Mitbestimmungstatbestands aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bereits die objektive Eignung der technischen Einrichtung zur Mitarbeiterüberwachung genügt. Entgegen des Wortlauts „bestimmt“ sei eine subjektive Überwachungsabsicht des Arbeitgebers nicht erforderlich. Anders als die Vorinstanz bejahte das BAG diesen Mitbestimmungstatbestand. Zwar sei hierfür nicht bereits die Übermittlung der Daten an die Zentrale in Dublin maßgeblich, weil sich diese Daten keinem einzelnen Mitarbeiter zuordnen ließen. Das BAG berücksichtigte aber, dass Vorgesetzte sämtliche Gespräche im Betrieb jederzeit mithören können. Anhand von Stimmen und gefallenen Namen könne daher ohne Weiteres eine Identifizierung der Mitarbeiter stattfinden, wodurch es zu einem dauerhaften Überwachungsdruck kommen könne. Dass die Gespräche nicht gespeichert werden, ändere daran nichts.
In der Sache hatte die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats aber keinen Erfolg. Denn das Headset-System wurde im gesamten Unternehmen eingeführt und betrifft daher sämtliche Betriebe. Wie die Vorinstanzen ging das BAG daher davon aus, dass das Mitbestimmungsrecht gem. 50 Abs. 1 S. 1 BetrVG dem Gesamtbetriebsrat zustand und nicht dem örtlichen Betriebsrat.
Praxishinweise und Fazit:
Aus dem Beschluss des BAG folgt damit nicht, dass die Einführung von Headsets im Betrieb generell unzulässig ist. Er zeigt aber: Vor allem bei der Einführung und Nutzung technischer Einrichtungen müssen Arbeitgeber die Mitbestimmungspflichtigkeit und auch die Zuständigkeiten sorgsam prüfen, damit der (jeweils zuständige) Betriebsrat rechtzeitig beteiligt werden kann. Andernfalls kann der Arbeitgeber vom zuständigen Betriebsrat auf Unterlassung in Anspruch genommen werden und Arbeitnehmer müssen die mitbestimmungswidrige Regelung des Arbeitgebers nicht befolgen.
Felix Kratz
Rechtsanwalt I Fachanwalt für Arbeitsrecht I Partner
dkm Rechtsanwälte. Kanzlei für Arbeitsrecht.
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