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Kurzarbeit kann betriebsbedingter Kündigung entgegenstehen

LAG München, Urteil vom 05.05.2021, 5 Sa 938/20

I. Einleitung

Viele Betriebe sind im zweiten Jahr der Corona-Pandemie wirtschaftlich angeschlagen, Arbeitnehmer häufig von Gehaltseinbußen betroffen. Neben dem Instrument der Kurzarbeit steht dem Arbeitgeber auch die Möglichkeit offen, sein wirtschaftliches Risiko durch betriebsbedingte Kündigungen zu reduzieren. Mit der Frage, inwieweit sich ein typischerweise vorübergehender Wegfall von Beschäftigungsbedarf in der Kurzarbeit einerseits und ein dauerhafter Wegfall von Beschäftigungsbedarf als Voraussetzung für eine betriebsbedingte Kündigung andererseits ausschließen, hat sich das LAG München in seiner Entscheidung vom 05.05.2021 befasst.

II. Sachverhalt

Die Klägerin, eine bei der Beklagten angestellten Reiseführerin, begehrte gerichtlich die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung. Im Zuge der Corona-Pandemie hatte die Beklagte im März 2020 ihre Belegschaft um Zustimmung zur Einführung von Kurzarbeit gebeten. Obwohl bei der Klägerin die sozialversicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld im Hinblick auf das Überschreiten des Rentenalters nicht vorlagen, erklärte diese sich gegenüber der Beklagten dennoch bereit, ihren Beitrag zu leisten, um die pandemiebedingte Krise zu überstehen. Nachdem zwischen den Parteien eine Einigung über einen Gehaltsverzicht scheiterte, kündigte die Beklagte betriebsbedingt zur Mitte des Folgemonats und mit Verweis auf die Corona-Pandemie sowie die wirtschaftliche Lage. Vor dem Arbeitsgericht Passau machte die Klägerin sodann mit ihrer Kündigungsschutzklage die mangelnde soziale Rechtfertigung der ausgesprochenen Kündigung geltend und verwies weiterhin darauf, dass eine Kündigung frühestens zum Ende des Folgemonats zulässig sei. Das Arbeitsgericht gab der Klage nur im Hinblick auf die Kündigungsfrist statt. Gegen das Urteil legte die Klägerin Berufung ein.

III. Entscheidung

Das LAG München gab der Berufung der Klägerin vollumfänglich statt. Entgegen der Auffassung der ersten Instanz konnte das Berufungsgericht keine dringenden betriebsbedingten Gründe erkennen, auf die die Kündigung hätte gestützt werden können. Vorliegend konnte die Beklagte nicht darlegen, dass ein dauerhafter Rückgang des Arbeitsvolumens gegeben ist. Vielmehr wertete das Gericht die Tatsache, dass im Betrieb Kurzarbeit eingeführt wurde als Indiz für einen nur vorübergehenden Rückgang des Beschäftigungsbedarfs. Schließlich sei Voraussetzung für den Bezug von Kurzarbeitergeld gem. §§ 95, 96 Abs. 1 Nr. 2 SGB III der vorübergehende Wegfall der Beschäftigung. Ein nur vorübergehender Arbeitsmangel aber kann eine betriebsbedingte Kündigung nicht rechtfertigen. Zwar seien nach Ansicht des Gerichts betriebsbedingte Kündigungen in Betrieben, in denen Kurzarbeit geleistet wird, nicht grundsätzlich ausgeschlossen, jedoch spreche im vorliegenden Fall die Einführung von Kurzarbeit dafür, einen nur vorübergehenden Rückgang des Beschäftigungsbedarfs anzunehmen. Werde innerhalb einer Betriebsabteilung gleichzeitig Kurzarbeit für einen Teil der Arbeitnehmer eingeführt und würden gegenüber einem weiteren Teil der Arbeitnehmer betriebsbedingte Beendigungskündigungen erklärt, handele es sich um gegenteilige Prognosewirkungen.

III. Fazit und Praxishinweise

Insbesondere in Pandemiezeiten sind Arbeitgeber vielfach darauf angewiesen, ihr Kostenrisiko zu minimieren. Wie das Urteil zeigt, kann das wirtschaftliche Risiko des Arbeitgebers jedoch nicht ohne Weiteres durch eine betriebsbedingte Kündigung auf den Arbeitnehmer übertragen werden. Die Kündigung kann nach dem Willen des Gesetzgebers immer nur das letzte Mittel sein. Wird in einem Betrieb Kurzarbeit geleistet, so ist die Option für den Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen allenfalls unter besonderen Bedingungen gegeben. Der Arbeitgeber kann nicht beliebig innerhalb einer Abteilung Kurzarbeit anordnen und gleichzeitig betriebsbedingt kündigen. Denkbar jedoch wäre ein solches Vorgehen in voneinander getrennten Bereichen oder Abteilungen, wenn er den dauerhaften Rückgang des Arbeitsvolumens im Sinne einer anzustellenden Prognose nachvollziehbar darstellen kann.

Felix Kratz

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht

dkm Rechtsanwälte. Kanzlei für Arbeitsrecht.

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