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Home sweet home

Arbeitsrechtliche Fragen rund um das Arbeiten im Home-Office

Mit Corona kam das Home-Office. Arbeitgeber, Arbeitnehmer (m/w/d) und Betriebsräte setzten angesichts der vielfältigen Herausforderungen durch Corona das Arbeiten im Home-Office um, ohne sich eingehender mit den damit zusammenhängenden rechtlichen Fragen zu beschäftigen. Dies ändert sich nun mit dem Beginn der Lockerungen und vor dem Hintergrund eines erstaunlichen Perspektivwechsels. Während die Arbeitgeber der Tätigkeit im Home-Office vielfach skeptisch gegenüber standen und die Arbeitnehmer von zu Hause aus arbeiten wollten, ist dies nun teilweise umgekehrt. Gerade die Arbeitnehmer stellen fest, dass die Arbeit im Home-Office oft schwierig und viel herausfordernder als am betrieblichen Arbeitsplatz ist, wo der Bürostuhl gut, der Bildschirm groß, die Kollegen nah und die Kinder fern sind. Zeit für einen kurzen Blick auf einige wesentliche Fragen im Zusammenhang mit der Arbeit im Home-Office.

I. Home-Office – Begriffsbestimmung

Eine rechtsverbindliche, allgemeingültige Definition des Begriffs Home-Office gibt es nicht. Eine gewisse Orientierung bietet § 2 Abs. 7 Satz 2 ArbStättV und der Begriff der Telearbeit; Telearbeitsplätze werden als vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten definiert, für die der Arbeitnehmer eine mit den Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat.

II. Home-Office und dessen Einführung

Die Tätigkeit im Home-Office bedarf einer wirksamen Rechtsgrundlage. Dies gilt gleichsam für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer.

1. Einseitige Anordnung des Arbeitgebers

Was in Corona-Zeiten zumeist kaum beachtet wurde, ist vom Grundsatz gleichwohl bedeutsam: Der Arbeitgeber hat ohne arbeitsvertragliche Vereinbarung oder Betriebsvereinbarung kein Recht, ein Arbeiten im Home-Office einseitig per Direktionsrecht nach § 106 GewO anzuweisen. Dies hat das LAG Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 14.11.2018, Az.: 17 Sa 562/18 klargestellt. Die Entscheidung betraf eine dauerhafte Versetzung ins Home-Office und betont die Unverletzlichkeit der Wohnung sowie die Bedeutung des unmittelbaren Kontakts des Arbeitnehmers zu seinen Kollegen und zum Betriebsrat. Allerdings dürfte ein Arbeitsgericht bei einer pandemiebedingten Anweisung zur lediglich vorübergehenden Tätigkeit vom Home-Office auch ggf. anders entscheiden. Dies nicht zuletzt deshalb, weil der Arbeitnehmer als Ausfluss seiner Loyalitätspflicht gehalten ist, Rücksicht auf die Interessen und Rechtsgüter des Arbeitgebers zu nehmen und Schaden abzuwenden. Gelingt dies durch eine lediglich vorübergehende Tätigkeit im Home-Office, könnte sich ausnahmsweise eine arbeitgeberseitige Anordnungsbefugnis ergeben, gerade wenn durch moderne Kommunikationsmittel der Austausch unter Kollegen und mit dem Betriebsrat gewährleitet wird. Hinzu kommt, dass den Arbeitgeber aus §§ 3, 4 ArbSchG, § 618 Abs. 1 BGB sowie aus seiner Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB die Verantwortung für die Sicherheit und Gesundheit aller Beschäftigten trifft, die er in einer Pandemiesituation u. a. auch durch die Anordnung von Arbeit im Home-Office wahrnimmt. Bei jeder entsprechenden Anordnung sind stets die Grundsätze billigen Ermessens zu beachten. Ist also die einseitige Anordnung des Arbeitgebers zumindest in Nicht-Krisenzeiten nicht vom Direktionsrecht gedeckt, so sind selbstverständlich entsprechende vertragliche Vereinbarungen möglich, üblich und zu empfehlen, um die erforderliche Rechtsgrundlage zu schaffen.

2. Anspruch des Arbeitnehmers

Spiegelbildlich zum fehlenden arbeitgeberseitigen Weisungsrecht gibt es für den Arbeitnehmer nach derzeitiger Rechtslage keinen gesetzlichen Anspruch auf ein Home-Office. Der Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber grundsätzlich nicht verlangen, dass dieser einen Home-Office-Arbeitsplatz für ihn einrichtet und ihm gestattet, die Arbeit von dort aus zu erledigen (vgl. LAG Köln, Urteil vom 06.07.2015 – 5 SaGa 6/15). Wenngleich denkbar über die Rechtsfigur des Zurückbehaltungsrechts nach § 273 BGB, erscheint es für den Arbeitnehmer doch äußerst riskant, seinen Arbeitsplatz selbst ins Home-Office zu verlegen; dies könnte allenfalls dann in Frage kommen, wenn der Arbeitgeber in der derzeitigen pandemiebedingten Sondersituation in ganz erheblicher und dauerhafter Weise gegen seine Fürsorgepflichten sowie öffentlich-rechtliche Arbeitsschutznormen verstößt, der Arbeitnehmer den Arbeitgeber deshalb abgemahnt hat und eine Tätigkeit im Home-Office überhaupt möglich ist. Ein rechtssicherer Anspruch auf Tätigkeit im Home-Office kann sich jedoch daraus ergeben, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Arbeitsvertrag einen entsprechenden Anspruch vereinbart haben oder ein anwendbarer Tarifvertrag bzw. eine Betriebsvereinbarung einen dementsprechenden Rechtsanspruch beinhalten.

Kommt ein Arbeitnehmer einer einseitigen Arbeitgeber-Anordnung zur Tätigkeit im Home-Office in der derzeitigen Pandemie-Situation nach, wird er sich nach dem Ende der Anordnung nicht mit dem Argument der betrieblichen Übung oder einer Konkretisierung des Direktionsrechts darauf berufen können, sein Arbeitsplatz liege nun dauerhaft im Home-Office. In der derzeitigen Situation dürfte für den Arbeitnehmer offensichtlich sein, dass er, selbst bei fehlendem arbeitgeberseitigem Hinweis auf den Ausschluss einer betrieblichen Übung oder veränderten Konkretisierung des Arbeitsortes, nur vorübergehend aus Sicherheitsgründen und zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes vorübergehend im Home-Office tätig werden soll.

III. Home Office und Beteiligung des Betriebsrats

Die generelle Einführung von Arbeiten im Home-Office ist ohne Beteiligung des Betriebsrats nicht denkbar. Zunächst muss die flächendeckende Einführung im Betrieb auf die Akzeptanz aller treffen und transparent sein, was ohne die Beteiligung des Betriebsrats nicht gelingen wird. Zum anderen ist v. a. § 87 BetrVG zu beachten. Dem Betriebsrat können weitreichende Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, Nr. 6 und Nr. 7 BetrVG zustehen. Zudem stellt die nachträgliche Zuweisung des neuen Arbeitsorts Home-Office eine Versetzung dar, die der Mitbestimmung nach § 99 Abs. 1 BetrVG unterliegt, sofern sie länger als einen Monat andauern soll (§ 95 Abs. 3 BetrVG).

Der Abschluss von Betriebsvereinbarungen sowohl in Corona-Zeiten als auch generell schafft regelmäßig den rechtlichen Rahmen für die Durchführung der bedarfsgerechten Home-Office Modelle im Betrieb.

IV.  Home-Office und Arbeitsschutz/Unfallschutz

1. Arbeitsschutz

Der Arbeitgeber wird durch die Tätigkeit des Arbeitnehmers im Home-Office nicht frei von Arbeitsschutzpflichten. Er hat dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes eingehalten werden. Bei der Einrichtung zumindest eines dauerhaften, d. h. nicht nur vorübergehenden „coronabedingten“ Homeoffice-Arbeitsplatzes (im Sinne des § 2 Abs. VII ArbStättV) hat der Arbeitgeber beispielsweise konkret die Maßnahmen zur Gestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen nach Nr. 6 des Anhangs zur ArbStättV zu beachten und den Arbeitnehmer nach § 12 ArbSchG zu unterweisen. Im Hinblick auf die arbeitgeberseitigen Überwachungspflichten sollte jede Vereinbarung über die Tätigkeit im Home-Office auch das Recht des Arbeitgebers beinhalten, sich durch Zutritt zur Wohnung von der Ordnungsgemäßheit des Arbeitsplatzes betreffend Arbeits- und Gesundheitsschutz zu überzeugen.

2. Unfallschutz

Die Arbeit im Home-Office ist über die gesetzliche Unfallversicherung geschützt, § 2 Abs. Nr. 1 SGB VII, wenngleich tendenziell weniger effektiv. Arbeitsunfälle sind gem. § 8 Abs. 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit. Entscheidend ist somit, ob ein innerer Zusammenhang zwischen dem zum Unfall führenden Geschehen und der betrieblichen Tätigkeit besteht, was im Home-Office teilweise schwierig zu bewerten ist. Im Home-Office sind, anders als im Betrieb, z. B. der Gang in die Küche oder der Weg zur Toilette nicht unfallversichert (vgl. SG München, Urteil vom 04.07.2019 – S 40 U 227/18).

V.  Home-Office und Arbeitszeit

Das Arbeitszeitgesetz gilt bei der Tätigkeit im Home-Office ebenso wie tarifliche, betriebliche oder einzelvertragliche Regelungen zur Arbeitszeit. Um die Einhaltung aller Regelungen und Vereinbarungen nachhalten zu können, empfiehlt sich grds. die Delegation der Dokumentation der täglichen Arbeitszeit auf den Arbeitnehmer.

VI.  Home-Office und Datenschutz

Bei der Tätigkeit im Home-Office sind die Vorschriften zum Datenschutz uneingeschränkt zu beachten. Der Arbeitgeber sollte sicherstellen, dass die Arbeitnehmer im Home-Office ausreichend geschult sind und die rechtlichen Anforderungen einhalten (ebenso wie die zur Geheimhaltung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen).

VII. Home-Office und Führung auf Distanz

Die Tätigkeit im Home-Office, zumindest bei längerer Dauer und in großem Umfang, stellt die Führungskräfte aber auch die „geführten“ Arbeitnehmer vor neue Herausforderungen. Die Führung auf Distanz erfordert, neben viel wechselseitigem Vertrauen und Motivation, klare Kommunikation sowie die Dokumentation von Arbeitsschritten und –ergebnissen. Arbeitsrechtlich unproblematisch ist es für Arbeitgeber, Anweisungen diesbezüglich zu geben und Ergebnisse offen nachzuhalten und zu überprüfen. Will der Arbeitgeber jedoch technische Kontrolleinrichtungen einsetzen, hat er die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, v. a. nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, zu beachten, sowie die rechtlichen Restriktionen, v. a. bei heimlicher Überwachung (z. B. Einsatz von Keyloggern oder Anfertigung von Screenshots), die allenfalls in Ausnahmefällen des begründeten Verdachts von Straftaten oder schweren Pflichtverletzungen wie z. B. Arbeitszeitbetrug in Betracht kommen kann.

Fazit

Durch Corona wird die Arbeit im Home-Office einem breit angelegten Praxistest unterworfen. Die mit der Tätigkeit im Home-Office auftretenden arbeitsrechtlichen Fragestellungen sind vielfältig, aber lösbar. Die Tätigkeit im Home-Office, zumindest alternierend mit Tätigkeit im Betrieb, stellt für viele Berufe und Branchen eine gute Möglichkeit dar, den veränderten Bedürfnissen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern Rechnung zu tragen. Dies erfordert klare Konzepte im Betrieb und klare Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern, Arbeitnehmern und,wo vorhanden, dem Betriebsrat. Inwieweit die aktuellen Forderungen nach einem Rechtsanspruch auf Tätigkeit im Home-Office weiterführen, wird sich zeigen. Da eine solche gesetzliche Regelung jedoch erhebliche komplexe Fragen zu klären und alle Interessen angemessen zu berücksichtigen hätte, sollte eher darauf vertraut werden, dass Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Betriebsräte mit den Erfahrungen aus der Corona-Zeit in der Lage sind, für ihre Bedürfnisse passgenaue Lösungen verbindlich zu vereinbaren. Dies ist umso wichtiger, falls die erwartete zweite Pandemiewelle tatsächlich kommen sollte.

Felix Kratz
Rechtsanwalt, Lic. en Droit
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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