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Der Arbeitsmarkt und Corona

Das Coronavirus betrifft immer mehr auch das Arbeitsleben: Wie gehen Sie mit der Situation im Unternehmen/an Ihrem Arbeitsplatz um? Was ist zu tun, wenn Arbeit aus- oder wegfällt? Existieren Förderungen in Notlagen? Wie steht es um Dienstreisen? Welche Regelungen wie z.B. Homeoffice, Kurzarbeit als Möglichkeiten gibt es?

Hoteliers verzeichnen den größten Rückgang durch Stornierungen – selbst „SARS“ in 2003 und die „9-11“-Anschläge hatten keine solchen Auswirkungen in der Hotelbranche, so ein Mitarbeiter eines Münchener Hotels. Das Hotelgewerbe hat nun zu entscheiden, wie es mit dem Wegfall an Arbeit und ihren Arbeitnehmern umzugehen hat.

Am 04.03.2020 hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sich mit den Spitzen des Gesundheitswesens getroffen, gefolgt von einem Treffen mit seinen Länderkolleginnen und -kollegen. Ziel der Gespräche war, den gemeinsamen Einsatz gegen die Ausbreitung des Coronavirus abzustimmen. Am 08.03.2020 traf sich ein Ausschuss der Regierungsparteien um ein Paket für die wirtschaftlichen Folgen des Coronavirus zu besprechen. Union und SPD haben sich dabei auf ein umfangreiches Paket zur Abfederung der erwarteten wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Krise geeinigt. Dazu sollen u.a. die Hürden für den Bezug von Kurzarbeitergeld deutlich gesenkt werden. Arbeitgeber sollen anders als bisher die Sozialbeiträge für die ausgefallenen Arbeitsstunden voll erstattet bekommen. Peter Altmaier, Bundesminister für Wirtschaft und Energie, ist auf internationaler Ebene mit den Mitgliedstaaten im Austausch. Mit der Europäischen Kommission und den anderen Mitgliedstaaten setzt er sich dafür ein, dass das Thema nun auch auf dem Handelsministerrat am 12.03.2020 in Brüssel erörtert wird.

Im Folgenden finden Sie einen ein Überblick und praktische Handlungsempfehlungen mit Stand 09.03.2020:

1. Auswirkungen für den Arbeitgeber
1.1 Die Pflichten des Arbeitgebers
Die Fürsorgepflichten zwingen Arbeitgeber, je nach Sachlage, konkrete Handlungen zum Schutz ihrer Mitarbeiter vorzunehmen, so z.B.:

  • Aufklärungspflichten über Infektions- und Erkrankungsrisiken sowie typische Krankheitssymptome. Eine Aufklärung kann z.B. über Bekanntmachungen in den Betriebsräumen, im Intranet, auf Betriebsversammlungen erfolgen. Als Grundlage hierfür dienen etwa die Informationen über Arbeitsschutzmaßnahmen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, abrufbar unter
    https://www.baua.de/DE/Angebote/Aktuelles/Meldungen/2020/2020-02-19-Coronavirus.html
  • Hygienevorkehrungen durch entsprechende Hygieneempfehlungen in sanitären Einrichtungen sowie das Bereitstellen von Desinfektionsmitteln.
  • In sensiblen Bereichen (etwa Gesundheitswesen) können ggf. weitergehende Schutzpflichten (etwa Bereitstellung von Atemschutzmasken oder besonderer Schutzkleidung) bestehen.
  • Mitteilungsaufforderung über etwaige Reisen in Risikogebiete. Eine pauschale Aufforderung der Mitarbeiter, den Arbeitgeber über allgemeine Aufenthalte zu informieren, dürfte datenschutzrechtlich dagegen unzulässig sein.
  • Schutzmaßnahmen bei Auftreten konkreter Infektionsfälle im Unternehmen, etwa durch Freistellung infizierter Mitarbeiter von der Arbeit und eine Benachrichtigung der Gesundheitsämter.

1.2 Arbeitsausfall und Vergütungszahlung
Wenn eine Behörde anordnet, dass ein Betrieb einzuschränken oder zu schließen ist, muss der Arbeitgeber die Vergütung grundsätzlich weiter an die (arbeitsfähigen und arbeitsbereiten) Mitarbeiter zahlen, ohne dass die ausgefallene Arbeitszeit nachgearbeitet werden muss (Unternehmerrisiko, § 615 S. 3 BGB). Von diesem Betriebsrisiko werden nicht nur alle betriebsinternen Störungen erfasst, die auf ein Versagen der sachlichen oder persönlichen Mittel des Betriebs zurückzuführen sind. Auch von außen auf den Betrieb einwirkende Umstände (höhere Gewalt) sowie die Einstellung des Betriebs im Anschluss an eine behördliche Anordnung fallen unter das vom Arbeitgeber zu tragende Betriebsrisiko (vgl. LAG Düsseldorf, Urt. v. 05.06.2003, 11 Sa 1464/02). Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der Betriebsrisikolehre sind jedoch dann nicht anwendbar, wenn das Unternehmen wirtschaftlich so schwer getroffen wird, dass seine Existenz bei Fortzahlung der vollen Löhne gefährdet wäre (vgl. BAG, Urteil v. 09.03.1983, 4 AZR 301/80). Daran sind nach der Rechtsprechung jedoch hohe Anforderungen geknüpft.

Ist der Mitarbeiter durch eine Infektion mit dem Coronavirus arbeitsunfähig erkrankt, gelten die nach § 3 EFZG allgemeinen Regelungen zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Des Weiteren, im Fall, dass einzelne Mitarbeiter aufgrund von infektionsbedingten Präventivmaßnahmen nicht arbeiten können, kann eine Behörde u.a. Quarantäne anordnen (§ 30 IFSG) oder ein berufliches Tätigkeitsverbot aussprechen (§ 31 IFSG). Derartige Maßnahmen begründen nach der Rechtsprechung einen vorübergehenden persönlichen Verhinderungsgrund, der nach § 616 BGB den Arbeitgeber (bis zu max. sechs Wochen) zur Vergütungsfortzahlung verpflichtet (z.B. noch zu § 49 BSeuchG a.F. BGH, Urteil v. 30.11.1978, III ZR 43/77). Besteht kein Anspruch auf Vergütungsfortzahlung, steht der Person gemäß Gesetz eine Entschädigung zu, die in den ersten sechs Wochen im Wesentlichen dem Verdienstausfall entspricht (Netto-Arbeitsentgelt). Der Arbeitgeber hat dann längstens für diesen Zeitraum die Entschädigung „als Zahlstelle“ zu zahlen und kann sich die Entschädigung auf Antrag von der zuständigen Behörde zurückerstatten lassen (§ 56 Abs. 5 IFSG).

2. Die Rechte des Arbeitnehmers
Es besteht kein Recht auf Home Office oder auf Leistungsverweigerung. Trotz einer abstrakten Infektionsgefahr bleibt das gültige Arbeitsrecht in Kraft, das heißt:

  • Der Arbeitnehmer hat grundsätzlich kein Leistungsverweigerungsrecht und ist nicht berechtigt, wegen eines (abstrakten) Infektionsrisikos der Arbeit fern zu bleiben.
  • Vorbehaltlich abweichender Regelungen haben die Mitarbeiter kein Recht auf einen Home-Office-Arbeitsplatz. Bleiben Mitarbeiter dennoch der Arbeit fern oder arbeiten sie weisungswidrig im Home Office, greifen die üblichen arbeitsrechtlichen Sanktionen, insbesondere Abmahnung und ggf. Kündigung.
  • In der Regel sind Dienstreisen oder Entsendungen anzutreten. Abweichendes gilt nur dann, wenn z.B. Reisewarnungen des Auswärtigen Amts, des Robert Koch Instituts oder der WHO für das betroffene Gebiet ausgesprochen wurden. In diesen Fällen, sowie ggf. bei besonderen individuellen Umständen (z.B. Vorerkrankungen), darf der Mitarbeiter die Reisetätigkeit im Einzelfall verweigern.

3. Reaktionsmöglichkeiten von Arbeitgebern
In Anbetracht der weitreichenden organisatorischen und finanziellen Folgen sind Unternehmen gut beraten, den potentiellen Auswirkungen des Coronavirus auf die Arbeitsverhältnisse bereits jetzt entgegen zu treten. In Betracht kommen Maßnahmen wie diese:

  • Abbau etwaiger Kontingente von Überstunden, Nutzung von Arbeitszeitkonten. Falls Arbeitszeitkonten bestehen, kann das vereinbarte Kontingent zum Abbau von Plus- bzw. Aufbau von Minusstunden genutzt werden, um Annahmeverzugsrisiken zu minimieren.
    Eine Alternative wäre die Anordnung von Betriebsferien. Besteht ein Betriebsrat, hat dieser hierbei ein Mitbestimmungsrecht. Arbeitgebern ist zu empfehlen, bereits im Vorfeld eine Betriebsvereinbarung über Betriebsferien abzuschließen.
  • Einführung von Kurzarbeit. Die Anordnung von Kurzarbeit ist geeignet, Annahmeverzugsrisiken zu minimieren. Die Bundesagentur für Arbeit hat darüber hinaus klargestellt, dass wegen Arbeitsausfällen durch das Coronavirus Kurzarbeit über Kurzarbeitergeld gefördert werden kann; Link: https://www.arbeitsagentur.de/news/kurzarbeit-wegen-corona-virus. Der Arbeitgeber kann die Kurzarbeit jedoch lediglich dann anordnen, wenn im Arbeitsvertrag, im Tarifvertrag oder – soweit zulässig – in einer Betriebsvereinbarung dies vorgesehen ist. Ein vorhandener Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht bei der Anordnung.
  • Einführung betrieblicher Home-Office-Regelungen oder Ausweitung von Möglichkeiten für Video- und Telefonkonferenzen, um persönliche Meetings zu ersetzen. Mit einem vorhandenen Betriebsrat ist hierüber eine Betriebsvereinbarung oder Regelungsabrede abzuschließen. Verhandlungen hierzu sollten rechtzeitig aufgenommen werden, um schnell reagieren zu können, wenn Infektionen oder Verdachtsfälle auftauchen.
  • Aufstellung eines Notfallplans. Dieser sollte kurzfristig unter Einbeziehung aller betrieblichen Akteure erarbeitet werden, insbesondere mit Betriebsrat, arbeits- und datenschutzverantwortlichen Stellen oder Betriebsarzt. Konkrete Verhaltensregeln sollten im Fall einer akuten Pandemie (bspw. Umgang mit infizierten Mitarbeitern, Information von Behörden, etc.) festgelegt werden. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, welche Aufgaben und Funktionen für den Betriebsablauf wesentlich sind. Es sollte daraufhin entschieden werden, welche im Fall des Ausfalls eines größeren Teils der Belegschaft für einen „Minimalbetrieb“ aufrecht erhalten werden müssen und auf welche verzichtet werden kann (z.B. Home Office, Versetzungen, Anordnung von Abbau von Überstunden oder die Ableistung derselben, Versetzungen, verstärkte Kommunikation über E-Mail, Videotelefon, Internet etc.).
  • Anpassung oder gar Ausschluss der gesetzlichen Risikoverteilung zur Vergütungsfortzahlung (§§ 615 Satz 3, 616 BGB). Die Regeln der Betriebsrisikolehre (§ 615 Satz 3 BGB) sowie zur vorübergehenden Dienstverhinderung (§ 616 BGB) sind dispositiv. Soweit keine Regelung besteht, können z.B. unter Nutzung der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Betriebsvereinbarungsoffenheit von arbeitsvertraglichen Regelungen mit kollektivem Bezug (auch für bestehende Arbeitsverträge) diese durch entsprechende Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat (befristet) abbedungen werden. Ebenso ist dies im Rahmen von (Sanierungs-)Tarifverträgen möglich. Auch denkbar ist, dass als „Gegenleistung“ eine (befristete) Zusage von Beschäftigungsschutz gefordert wird.

Ellen Skiba
Rechtsanwältin

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