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Arbeitnehmer muss unbillige Weisungen auch ohne gerichtliche Bestätigung nicht befolgen

BAG, Beschluss vom 14.09.2017 – 5 AS 7/17

Weisungen des Arbeitgebers müssen gem. § 106 S. 1 Gewerbeordnung (GewO) billigem Ermessen entsprechen, also insbesondere die gegenseitigen Interessen berücksichtigen. Zwischen den Senaten des BAG bestand seit einigen Jahren Uneinigkeit, ob sich der Arbeitnehmer über Weisungen des Arbeitgebers, die nicht billigem Ermessen gemäß § 106 S. 1 GewO entsprechen, einfach hinwegsetzen darf oder ob er hierfür zunächst gerichtlichen Rechtsschutz suchen muss. Der gerichtsinterne Streit wurde nunmehr beigelegt.

Sachverhalt
Der Kläger war seit dem Jahr 2001 bei der Beklagten in Dortmund beschäftigt. Nachdem die Kollegen des Klägers eine weitere Zusammenarbeit mit ihm gegenüber der beklagten Arbeitgeberin abgelehnt hatten, versetzte ihn die Beklagte nach Berlin. Der Kläger nahm seine Arbeit am Standort Berlin nicht auf, weil er die Weisung für unbillig hielt. Nach zwei erfolglosen Abmahnungen kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Über die Kündigungsschutzklage hinaus beantragte der Kläger die Feststellung, dass er nicht verpflichtet war, die Arbeit in Berlin aufzunehmen. Der Zehnte Senat des BAG war der Auffassung, dass der Kläger die Versetzung nicht befolgen musste, weil sie unbillig war. Der Fünfte Senat hatte jedoch 2012 geurteilt, dass ein Arbeitnehmer sich über eine unbillige Ausübung des Weisungsrechts – sofern sie nicht schon aus anderen Gründen unwirksam ist – nicht einfach hinwegsetzen darf, sondern hierüber entsprechend § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB zuerst eine gerichtliche Entscheidung erwirken muss; anderenfalls drohte ihm die Kündigung, selbst wenn die Weisung unbillig war (Az. 5 AZR 249/11). Der Zehnte Senat hatte daher mit Beschluss vom 14.06.2017 beim Fünften Senat angefragt, ob er an dieser Rechtsprechung weiter festhalten wolle (10 AZR 330/16 (A)).

Entscheidungsgründe
Der Fünfte Senat hat seine 2012 ausgeurteilte und seither in Rechtsprechung und Literatur überwiegend negativ bewertete Auffassung nunmehr mit dem hier kommentierten Beschluss wieder aufgegeben. In der sehr kurz gehaltenen Entscheidung verweist der Senat umfassend auf die Begründung des Zehnten Senats im Anfragebeschluss vom 14.06.2017. Dieser hatte neben dem Wortlaut und der Gesetzgebungsgeschichte damit argumentiert, dass die Arbeitsgerichte unbillige Weisungen des Arbeitgebers gar nicht durch Urteil ersetzen können und dies auch noch nie getan haben. Das Arbeitsverhältnis sei zudem kein „Über- oder Unterordnungsverhältnis“, sondern als „eher partnerschaftliches Miteinander“ zu betrachten. Mit einer solchen Zielrichtung sei es nicht vereinbar, dass der Arbeitnehmer sanktionsbewehrt an unbillige Weisungen erst einmal gebunden sein soll.

Praxishinweise
Durch die kommentierte Entscheidung wird eine jahrelange Diskussion in Rechtsprechung und Literatur beendet, die Beratungspraxis jedoch nicht grundlegend verändert. Arbeitgeber müssen – letztlich im Rahmen von Abfindungsverhandlungen – beachten, dass die Nichtbeachtung einer unbilligen Weisung nicht mehr als solche eine Pflichtverletzung darstellt. Arbeitnehmern ist im Grundsatz weiterhin zu raten, unbilligen Weisungen zu widersprechen, diese im Zweifel jedoch erst einmal zu befolgen und gerichtlichen Rechtsschutz zu suchen. Setzt der Arbeitnehmer sich über eine Weisung hinweg und stellt das Gericht Jahre später fest, dass diese rechtmäßig war, trägt der Arbeitnehmer das volle Risiko, bis hin zur Wirksamkeit einer ausgesprochenen Kündigung.

Andreas Krause
Rechtsanwalt