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Vertraulichkeitsklauseln unter der Lupe: BAG erklärt Catch-all-Klauseln für unwirksam
BAG, Urteil vom 17. Oktober 2024 – 8 AZR 172/23
I. Einleitung
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellte die Unwirksamkeit einer formularmäßigen Vertragsklausel fest, die einen Arbeitnehmer zur zeitlich unbegrenzten Wahrung von Stillschweigen über alle internen Vorgänge sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verpflichtete (sog. Catch-all-Klausel). Das BAG stellt in seinem Urteil zudem Anforderungen an eine wirksame Vertraulichkeitsklausel auf, die in der Praxis häufig nur schwer erfüllbar sind.
II. Sachverhalt
Der Beklagte war von Oktober 1988 bis Ende 2016 als Central Technology Manager bei der Klägerin, einem Hersteller hochspezialisierter Füllmaschinen und Verpackungsmaterialien, tätig. In seiner Position war der Beklagte an der Weiterentwicklung wesentlicher Produkte beteiligt und stand in engem Austausch mit Mitarbeitern des Forschungs- und Entwicklungsbereichs. Mit einer Klausel im Arbeitsvertrag verpflichtete die Klägerin den Beklagten zur Geheimhaltung sämtlicher Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie über alle weiteren Informationen und Vorgänge, die ihm im Zuge seiner Tätigkeit bekannt wurden, Stillschweigen zu bewahren. Zudem musste er sicherstellen, dass Dritte keine unbefugte Kenntnis hiervon erlangen. Diese Verpflichtung galt auch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus (sog. Catch-all-Klausel). Der Beklagte kündigte sein Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2016 und begann am 1. Januar 2017 eine neue Stelle bei einem Hauptkunden der Klägerin. Im Oktober 2018 wurde die Klägerin darüber informiert, dass der Beklagte unter einem Pseudonym vertrauliche E-Mails mit sensiblen Informationen an Gesellschafter eines potenziell konkurrierenden Unternehmens geschickt hatte, was schließlich zur Klage der Klägerin führte. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung blieb erfolglos. Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihren Unterlassungsanspruch im Hauptsacheverfahren weiter. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
III. Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg.
Das BAG stellte fest, dass der Klägerin keine Unterlassungsansprüche zustehen. Eine Berufung auf die arbeitsvertragliche Vertraulichkeitsklausel war nicht möglich, da die Catch-all-Klausel den Beklagten unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB) und daher unwirksam ist.
Das BAG führte aus, dass die Klausel nicht auf spezifische Geschäftsgeheimnisse beschränkt ist, sondern den Beklagten ohne Einschränkungen zur Verschwiegenheit verpflichtete. Auch wenn ein legitimes Interesse des Arbeitgebers an einer begrenzten nachvertraglichen Verschwiegenheits-pflicht besteht, verstieß die Klausel im konkreten Fall wegen ihrer umfassenden Reichweite gegen die Regelungen zu nachvertraglichen Wettbewerbsverboten gemäß §§ 74 ff. HGB und schränkte die Berufsfreiheit des Beklagten übermäßig ein. Zudem sah das BAG auch keine anderen Ansprüche, die einen Unterlassungsanspruch stützen könnten. Insbesondere wies das Gericht darauf hin, dass die Klägerin nicht ausreichend nachweisen konnte, dass die vom Beklagten übermittelten Informationen als Geschäftsgeheimnisse gelten; daher war auch ein Unterlassungsanspruch gemäß § 6 GeschGehG nicht erfüllt.
Darüber hinaus stellte das BAG fest, dass die Klägerin keine angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen gemäß § 2 Nr. 1 GeschGehG getroffen hatte und die Voraussetzungen für einen arbeitsvertraglichen Unterlassungsanspruch nach § 241 Abs. 2 BGB nicht gegeben waren.
IV. Praxishinweise und Fazit
Dieses Urteil bietet Unternehmen Anlass, bestehende Vereinbarungen mit Wissensträgern zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Es verdeutlicht, dass die Formulierung von Vertraulichkeitsklauseln in der Praxis oft herausfordernd ist und diese gerichtlichen Prüfungen häufig nicht standhalten. Die Herausforderung besteht insbesondere darin, die konkreten Geheimnisse oder vertraulichen Informationen zu benennen, die möglicherweise Jahre später relevant werden, während der Arbeitnehmer zwischenzeitlich oft an verschiedenen Projekten arbeitet und verschiedene Positionen bekleidet. Wenn jedoch absehbar ist, um welche Informationen es sich handelt, sollten diese konkret benannt und nach ihrer Vertraulichkeit kategorisiert werden. Um die Unwirksamkeit der Vertraulichkeitsklausel zu vermeiden, sollten Unternehmen in Fällen mit Wissensträgern, die Zugang zu besonders sensiblen Informationen haben, prüfen, ob die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsver-bots sinnvoll ist. Zu beachten ist dabei, dass dieses Wett-bewerbsverbot allerdings entschädigungspflichtig ist.
Jasna Smajic
Rechtsanwältin
dkm Rechtsanwälte. Kanzlei für Arbeitsrecht.
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