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Fristlose Eigenkündigung bei nicht vertragsgerechter Beschäftigung

LAG Köln, Urteil vom 24.01.2023 – 4 SaGa 16/22

Immer wieder kommt es im Arbeitsleben dazu, dass Arbeitgeber gerade bei Führungskräften kurzfristig Aufgaben und Verantwortlichkeiten beschneiden, wenn nicht gar vollständig entziehen. Für den betroffenen Arbeitnehmer bedeutet dies häufig ein Ende seiner beruflichen Karriere in dem Unternehmen, gleichzeitig hindern ihn zumeist lange Kündigungsfristen an einem schnellen Wechsel zu einem neuen Arbeitgeber oder gar zur Konkurrenz. Eine Lösung bietet für den betroffenen Arbeitnehmer gegebenenfalls der Ausspruch einer fristlosen Eigenkündigung, die für den Arbeitgeber wiederum mit dem Risiko verbunden ist, dass der Arbeitnehmer unverzüglich seine Arbeit bei einem Wettbewerbsunternehmen beginnen kann. Das LAG Köln stellt in seiner Entscheidung vom 24.01.2023 klar, dass die Weigerung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer vertragsgemäß zu beschäftigen, an sich geeignet sein kann, den Ausspruch einer außerordentlichen Eigenkündigung des Arbeitnehmers zu rechtfertigen.

Sachverhalt

Verfügungsklägerin (Arbeitgeberin) und Verfügungsbeklagte (Arbeitnehmerin) streiten im einstweiligen Rechtsschutz über die Unterlassung von Konkurrenztätigkeit für die Dauer der Kündigungsfrist und dabei insbesondere darüber, ob eine von der Arbeitnehmerin erklärte fristlose Kündigung unwirksam ist. Die Arbeitnehmerin wurde bei der Arbeitgeberin, einer TV-Produktionsfirma, als Creative Director eingestellt und zuletzt als stellvertretende Geschäftsführerin beschäftigt. Im Zusammenhang mit der Bestellung einer neuen Geschäftsführerin entzog die Arbeitgeberin der Arbeitnehmerin am 19.08.2022 die Zuständigkeiten für sämtliche laufende Projekte und kommunizierte dies sowohl intern als auch extern, entfernte sie von der Website, änderte die E-Mail-Signatur und tätigte negative Äußerungen über sie auf einer Betriebsversammlung. Ab dem 01.09.2022 verhandelten die Parteien über die Konditionen für eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ab dem 06.09.2022 wurde die Arbeitnehmerin von der Arbeit freigestellt. Nach Scheitern der Aufhebungsvertragsverhandlungen mahnte die Arbeitnehmerin die Arbeitgeberin ab und forderte diese zur vertragsgemäßen Beschäftigung sowie Rücknahme der Freistellung auf. Die Arbeitgeberin forderte daraufhin die Arbeitnehmerin zu einem Personalgespräch zur Erörterung der künftigen Einsatzmöglichkeiten auf. Die Arbeitnehmerin lehnte dies ab und forderte eine schriftliche Darlegung ihrer zukünftigen Aufgaben. Da eine schriftliche Auskunft nicht erfolgte und auch keine Beschäftigung, sprach die Arbeitnehmerin am 30.09.2022 eine außerordentliche, fristlose Eigenkündigung aus. Nach Ausspruch der Kündigung wurde die Arbeitnehmerin für ein Konkurrenzunternehmen tätig, was die Verfügungsklägerin ihr im Wege einstweiliger Verfügung zu untersagen versuchte. Vor dem Arbeitsgericht Köln war die Klage der Arbeitgeberin erfolglos.

Entscheidungsgründe

Das LAG Köln bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung und beurteilte die fristlose Eigenkündigung als wirksam. Ein Wettbewerbsverbot im laufenden Arbeitsverhältnis konnte zugunsten der Arbeitgeberin folglich nicht mehr greifen. Da auch kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart worden sei, sei die Arbeitnehmerin frei in der Verwertung ihrer Arbeitskraft. Vorliegend habe sich die Arbeitnehmerin auf einen wichtigen Grund gem. § 626 I BGB berufen können und sei ihrer diesbezüglichen Darlegungs- und Beweislast nachgekommen. Die arbeitgeberseitige Weigerung, einen Arbeitnehmer vertragsgemäß zu beschäftigen, stelle eine schwerwiegende Vertragsverletzung dar. Dies gelte auch dann, wenn das vereinbarte Gehalt weitergezahlt werde, da der Arbeitnehmer gem. §§ 611 a, 613, 242 BGB grundsätzlich einen Anspruch auf vertragsgerechte Beschäftigung habe. Vorliegend sei die Arbeitnehmerin freigestellt gewesen. Diese Freistellung sei auch auf arbeitnehmerseitige Aufforderung unter Fristsetzung nicht aufgehoben worden, eine vertragsgemäße Beschäftigung nicht erfolgt. Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit habe die Arbeitnehmerin durch die zuvor ausgesprochene Abmahnung entsprochen. Der Aufforderung zur Führung eines Personalgesprächs müsse ein Arbeitnehmer zwar grundsätzlich nachkommen. Vorliegend zeigte sich das Gericht bei Würdigung der Gesamtumstände (Kommunikation, Entfernung von der Website, etc.) aber überzeugt, dass die Arbeitgeberin zu keinem Zeitpunkt konkrete Pläne zur vertragsgerechten Beschäftigung gehabt habe, die Arbeitnehmerin das Gespräch verweigern durfte und insgesamt das Beendigungsinteresse der Arbeitnehmerin überwogen habe.

Praxishinweise und Fazit

Die Entscheidung verdeutlicht, bei allen Besonderheiten des Einzelfalls, wichtige Grundsätze in Situationen, die in der Praxis stetig auftreten: Entscheidet sich ein Arbeitgeber, einen Arbeitnehmer im laufenden Arbeitsverhältnis freizustellen oder diesen nicht vertragsgemäß zu beschäftigen, riskiert er den Ausspruch einer fristlosen Arbeitnehmerkündigung. Dies mag ihn nicht immer stören, wird allerdings dann zum Problem, wenn der Arbeitnehmer direkt zum Wettbewerber wechselt und der Arbeitgeber dies nicht verhindern oder zumindest über eine ordentliche Kündigungsfrist und das im laufenden Arbeitsverhältnis noch bestehende Wettbewerbsverbot verzögern kann. Für den Arbeitnehmer stellt die fristlose Kündigung ein strategisches Mittel dar, schnell aus dem zerrütteten Arbeitsverhältnis rauszukommen. Allerdings gilt dies auch nicht schrankenlos und ohne Risiko. Eine vorherige Abmahnung des Arbeitgebers ist regelmäßig unumgänglich.

Auch kann sich ein Arbeitnehmer grds. nicht einem klärenden Personalgespräch verweigern. Ferner muss der Arbeitnehmer stets das Risiko eines etwaigen Schadenersatzanspruch oder einer arbeitsvertraglichen Vertragsstrafe vor Ausspruch der fristlosen Eigenkündigung sorgsam prüfen.

Felix Kratz
Rechtsanwalt I Partner I Fachanwalt für Arbeitsrecht

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