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Besonderer Abberufungsschutz des Datenschutzbeauftragten europarechtskonform

BAG, Urteil vom 06.06.2023 – 9 AZR 621/19

Der besondere Schutz des betrieblichen oder behördlichen Datenschutzbeauftragten vor einer Abberufung gemäß § 6 Abs. 4 S. 1 BDSG steht im Einklang mit Unionsrecht. Die Bestimmung beeinträchtigt die Verwirklichung der Ziele der DS-GVO nicht. Aufgrund der Verweisung in § 6 Abs. 4 S 1 BDSG muss für die Abberufung ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB vorliegen, der es dem Verantwortlichen aufgrund von Tatsachen und unter Berücksichtigung der Gegebenheiten des Einzelfalls sowie unter Abwägung der Interessen beider Vertragspartner unzumutbar macht, die betreffende Person als betrieblichen oder behördlichen Datenschutzbeauftragten auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiterhin einzusetzen.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Abberufung des Klägers als Datenschutzbeauftragten.

Der Kläger war bei der Beklagten (Körperschaft des öffentlichen Rechts) seit dem 17.02.2004 zum behördlichen Datenschutzbeauftragten bestellt. Mit Schreiben vom 15.08.2018 berief die Beklagte den Kläger mit Wirkung zum 31.08.2028 ab. Sie sah einen Interessenkonflikt zwischen der Tätigkeit des Klägers als Anwendungsberater einerseits und als Datenschutzbeauftragter andererseits.

Der Kläger hat daraufhin beantragt festzustellen, dass seine Rechtsstellung als behördlicher Datenschutzbeauftragter der Beklagten nicht durch deren Abbestellung beendet worden ist und er weiterhin Datenschutzbeauftragter der Beklagten ist. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, ihn als Datenschutzbeauftragten abzuberufen, da kein wichtiger Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB vorgelegen habe.

Entscheidungsgründe

Das Arbeitsgericht Dresden und das Landesarbeitsgericht Sachsen haben die Klage abgewiesen, mit der Begründung, die Abberufung sei nicht am Maßstab des § 6 Abs. 4 BDSG i. V. m. § 626 Abs. 1 BGB zu messen.

Die Revision des Klägers vor dem Bundesarbeitsgericht hatte indes Erfolg. Sie führte zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht Sachsen:

Das Bundesarbeitsgericht legte zunächst dem Europäischen Gerichtshof die Frage, ob die Regelung in § 6 Abs. 4 S. 1 BDSG, der zufolge die Abberufung eines Datenschutzbeauftragten das Vorliegen eines wichtigen Grundes i. S: v. § 626 Abs. 1 BGB voraussetzt, mit Art. 38 Abs. 3 DS-GVO im Einklang stehe, zur Vorabentscheidung vor. Mit Urteil vom 09.02.2023 entschied der Europäische Gerichtshof, dass das Erfordernis eines wichtigen Grundes mit Unionsrecht vereinbar sei (vgl. EuGH, Urteil vom 09.02.20223 – C-560/21, C-453/21).

Folglich ist nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts die Abberufung des Klägers am Maßstab des § 6 Abs. 4 S. 1 BDSG zu messen und es komme darauf an, ob ein wichtiger Grund für die Abberufung des Klägers i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB vorliege.

Als wichtige Gründe kämen insbesondere solche in Betracht, die mit der Funktion und Tätigkeit des Datenschutzbeauftragten zusammenhingen und eine weitere Ausübung dieser Tätigkeit unmöglich machen oder sie zumindest erheblich gefährden, wie beispielsweise ein Geheimnisverrat oder eine dauerhafte Verletzung der Kontrollpflichten als Datenschutzbeauftragter. Auch die wirksame Beendigung des zugrundeliegenden Arbeitsverhältnisses könne ein wichtiger Grund für den Widerruf der Bestellung eines internen Datenschutzbeauftragen sein. Ferner könne ein wichtiger Grund vorliegen, wenn der Datenschutzbeauftragte die für die Aufgabenerfüllung erforderliche Fachkunde und Zuverlässigkeit nicht (mehr) besitze. Die Zuverlässigkeit eines Datenschutzbeauftragten könne insbesondere in Frage stehen, wenn Interessenkonflikte drohen.

Da das Landesarbeitsgericht Sachsen in seiner Entscheidung angenommen habe, die Abberufung des Klägers sei gerade nicht am Maßstab des § 6 Abs. 4 S. 1 BDSG zu prüfen, hat es zum Vorliegen eines wichtigen Grundes keine Feststellungen getroffen, sodass auch der Senat nicht feststellen kann, ob dessen Voraussetzungen vorliegen. Hierzu bedürfe es einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts durch das Landesarbeitsgericht Sachsen.

Praxishinweise und Fazit

Nachdem der Europäische Gerichtshof die Vorlagefrage im Februar diesen Jahres bereits beantwortet und festgestellt hat, dass § 6 Abs. 4 S. 1 BDSG unionsrechtskonform ist, ist die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts erwartungsgemäß ausgefallen. Die Abberufung eines Datenschutzbeauftragten bedarf (auch weiterhin) eines wichtigen Grundes. Welche Gründe hierfür in Betracht kommen zeigt der Senat in seiner Entscheidung auf.

Melanie Pless
Rechtsanwältin

dkm Rechtsanwälte. Kanzlei für Arbeitsrecht.
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