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Berücksichtigung der Eigenkündigung des Arbeitnehmers bei Rückzahlungskosten

BAG, Urteil vom 01.03.2022 – 9 AZR 260/21

Eine Vereinbarung in AGB, wonach der Arbeitnehmer bei jeder eigenen (außer-)ordentlichen vom Arbeitgeber nicht zu vertretenen Kündigung, unabhängig vom jeweiligen Kündigungsgrund, vor Ablauf einer bestimmten vereinbarten Bindungsfrist die vom Arbeitgeber übernommenen Fortbildungskosten zurückzahlen muss, ist wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam. Dies hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 01.03.2022 entschieden. Die Klausel stelle durch die damit bezweckte Bindung an das Arbeitsverhältnis in Fällen der unverschuldeten Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers mangels billigenswertem Interesse des Arbeitgebers an dem Fortbestand eines nicht mehr erfüllbaren Arbeitsverhältnisses und aufgrund der rechtswidrigen Einschränkung des Grundrechts auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers dar.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Fortbildungskosten. Die Klägerin betreibt eine Reha-Klinik. Die Beklagte war dort in der Zeit vom 01.06.2017 bis zum 31.01.2020 als Altenpflegerin angestellt.

Die Parteien schlossen unter dem 10.2.2019 einen Fortbildungsvertrag, dem zufolge die Beklagte in der Zeit vom 4.6. bis zum 3.12.2019 an 18 Arbeitstagen an einer Fortbildung zum „Fachtherapeut Wunde ICW“ teilnehmen sollte. Die Kosten für die Teilnahme beliefen sich insgesamt auf 4.090 EUR.

Die Vereinbarung sah eine sechsmonatige Bindungsfrist nach Beendigung der Fortbildung vor. Zudem enthielt sie folgende weitere Klausel: „Scheidet der Arbeitnehmer aufgrund einer eigenen ordentlichen nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden oder einer eigenen außerordentlichen nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden Kündigung oder aufgrund einer vom Arbeitgeber erklärten verhaltensbedingten ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung vor Ablauf der […] Bindungsfrist aus […], so hat der Arbeitnehmer […] die Gesamtkosten […] zurückzuzahlen. Die Rückzahlungs-pflicht gilt auch im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einen vom Arbeitnehmer veranlassten Aufhebungsvertrag. Für je einen vollen Monat der Beschäftigung nach dem Ende der Fortbildung werden 1/6 des gesamten Rückzahlungsbetrages erlassen“

Die Fortbildung beendete die Beklagte erfolgreich am 03.12.2019. Mit Schreiben vom 29.11.2019 kündigte sie das Arbeitsverhältnis zum 01.02.2020, woraufhin die Klägerin anteilige Fortbildungskosten in Höhe von 2.726,68 EUR zurückforderte. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht wiesen die Klage ab.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass die entsprechende Regelung in der Vereinbarung einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB nicht standhalte, wonach Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sind, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

Zwar seien einzelvertragliche Vereinbarungen, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen hat, soweit er vor Ablauf bestimmter Fristen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, grundsätzlich zulässig, sie benachteiligen den Arbeitnehmer nicht generell unangemessen. Es sei jedoch nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht schlechthin an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist zu knüpfen. Vielmehr müsse nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens differenziert werden.

Die Rückzahlungsverpflichtung müsse einem begründeten, billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entsprechen. Dies sei nicht der Fall, wenn jemand ohne sei Verschulden, etwa krankheitsbedingt, nicht mehr in der Lage sei, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Der arbeitsvertragliche Leistungsaustausch sei dann nicht mehr möglich. Es handele sich dann um nicht mehr erfüllbares „sinnentleertes“ Arbeitsverhältnis. Ein Ausgleich der durch die Rückzahlungsklausel vorliegenden Beschränkung der Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers nach Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG, sei dann nicht mehr gegeben, da diesem kein Vorteil durch die Ausbildung mehr verbleibe.

Der Umstand, dass sich die Investition in die Fortbildung eines Arbeitnehmers aufgrund unverschuldeter dauerhafter Leistungsunfähigkeit für ihn nicht mehr amortisieren, sei dem unternehmerischen Risiko zuzurechnen.

Dem Arbeitgeber sei es ohne weiteres möglich, die Fälle von der Rückzahlungspflicht auszunehmen, in denen der Arbeitnehmer sich zur Eigenkündigung entschließt, weil er vor Ablauf der Bindungsdauer wegen unverschuldeter Leistungsunfähigkeit die durch die Fortbildung erworbene oder aufrechterhaltene Qualifikation in dem mit dem Verwender der Klausel bestehenden Arbeitsverhältnis nicht (mehr) nutzen kann.

Praxishinweise

Die neuste Entscheidung des Bundesarbeitsgericht zum Thema Rückzahlungsvereinbarungen von Auszahlungskosten zeit einmal mehr, dass trotz der grundsätzlich anerkannten Zulässigkeit von formulararbeitsvertraglichen Fortbildungsklauseln mit Rückzahlungsvereinbarung, an deren Wirksamkeit hohe Anforderungen gestellt werden.

Hier ist es lohnenswert stets die neuste Entwicklung der Rechtsprechung im Blick zu behalten, um diese bei der laufenden Arbeitgeberberatung, insbesondere der Vertragsgestaltung berücksichtigen zu können.

Lena Schomann
Rechtsanwältin

dkm Rechtsanwälte. Kanzlei für Arbeitsrecht.
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