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Auch in privater WhatsApp-Gruppe darf man den Chef nicht beleidigen
BAG, Urteil vom 24.08.2023 – 2 AZR 17/23
Ein Arbeitnehmer, der sich in einer privaten Chatgruppe in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Vorgesetzte und andere Kollegen äußert, kann gekündigt werden. Auf eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung kann sich der Arbeitnehmer nur im Ausnahmefall berufen.
Sachverhalt
Die Parteien streiten u.a. über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung.
Der Kläger war bei der Beklagten zuletzt als Gruppenleiter Lagerlogistik beschäftigt. Seit dem Jahr 2014 ist der Kläger Mitglied einer aus zunächst sechs Mitarbeitern bestehenden privaten WhatsApp-Gruppe. Vom 19.11.2020 bis 17.01.2021 gehörte dieser Gruppe ein weiterer ehemaliger Kollege an. Die Mitglieder der Gruppe sind untereinander langjährig befreundet, zwei Mitglieder sind sogar miteinander verwandt. Der Austausch der Gruppenmitglieder erfolgte auf privaten Smartphones.
Neben rein privaten Themen äußerte sich der Kläger in dieser Gruppe in beleidigender und menschenverachtender Weise u.a. über Vorgesetzte und Arbeitskollegen. Als die Beklagte hiervon zufällig Kenntnis erhielt, kündigte sie das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich fristlos.
Der Kläger erhob Klage gegen die Kündigung. Er vertrat die Ansicht, dass der Inhalt des Chat-Verlaufs von der Beklagten nicht verwendet werden dürfe und auch im Rechtsstreit nicht verwertet werden dürfe, da es sich um einen rein privaten Austausch gehandelt habe.
Die Beklagte war der Meinung, durch die zahlreichen beleidigenden, rassistischen, teilweise menschenverachtenden und sexistischen Äußerungen und die Aufrufe zur Gewalt habe der Kläger seine arbeitsvertraglichen Pflichten schwerwiegend verletzt.
Entscheidungsgründe
Die beiden Vorinstanzen – das Arbeitsgericht Hannover (Urteil vom 24.02.2022 – 10 Ca 147/21) und das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (Urteil vom 19.12.2022 – 15 Sa 284/22) gaben der Klage statt. Die Kündigung sei unwirksam, da die Äußerungen des Klägers in der Chatgruppe Bestandteil einer vertraulichen Kommunikation zwischen den Mitgliedern der Gruppe sind. Als solche genießen sie verfassungsrechtlichen Schutz der dem Schutz der Ehre der durch die Äußerungen betroffenen Personen vorgehe.
Die Revision der Beklagten vor dem Bundearbeitsgericht hatte Erfolg. Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgericht hob das Urteil der Vorinstanz hinsichtlich der Kündigung auf und verwies die Sache an das Landesarbeitsgericht zurück.
Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts durfte der Kläger im vorliegenden Fall nicht von einer Vertraulichkeitserwartung des Klägers betreffend der ihm vorgeworfenen Äußerungen ausgehen. Eine Vertraulichkeitserwartung sei nur dann berechtigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können. Dies ist abhängig vom Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Gruppe.
Wenn beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige Inhalt der Nachricht sind, bedarf es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer berechtigt davon ausgehen durfte, der Inhalt der Nachrichten werde von einem Gruppenmitglied nicht an Dritte weitergegeben.
Praxishinweise und Fazit
Das Bundesarbeitsgericht hatte in diesem Fall zum ersten Mal zu erörtern, ob beleidigende und menschenverachtende Äußerungen in privaten Chatgruppen arbeitsrechtliche Sanktionen rechtfertigen können. Die Entscheidungsgründe des Bundesarbeitsgerichts liegen aktuell noch nicht vor. Es bleibt daher abzuwarten, warum der Kläger nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts in dem vorliegenden Fall nicht erwarten konnte, der Inhalt der Nachrichten werde von keinem Gruppenmitglied an Dritte weitergegeben, und wie es die Einzelumstände, wie Zusammensetzung und Größe der Gruppe bewertet. Auch interessant wird, ob sich das Bundesarbeitsgericht zur Zulässigkeit der Verwertung der privaten Chatnachrichten nach den Regelungen der DSGVO äußert.
Julia Pfeiffer, LL.M.
Rechtsanwältin
dkm Rechtsanwälte. Kanzlei für Arbeitsrecht.
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