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… und täglich grüßt die Ausschlussfrist

LAG Nürnberg, Urteil vom 09.05.2017 – 7 Sa 560/16

Wieder einmal beschäftigt sich ein arbeitsgerichtliches Urteil mit der Wirksamkeit von Ausschlussfristen. Bereits in unserem Newsletter 02/16 hatten wir über den „langsamen Tod der Ausschlussfrist“ berichtet. Das Urteil des LAG Nürnberg scheint diesen „langsamen Tod“ noch hinauszuzögern, abwenden kann es ihn unserer Auffassung nach jedoch nicht.

Sachverhalt:

Die Parteien streiten um Überstunden und Urlaubsabgeltung. In § 10 des Arbeitsvertrages haben die Parteien eine Ausschlussfrist mit folgender (standardmäßiger) Formulierung vereinbart:

„Ansprüche beider Parteien aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit schriftlich gegenüber der Gegenseite geltend gemacht werden. Entscheidend ist der Zugang des Schreibens. Nach Ablauf der Frist kann der Anspruch nicht mehr geltend gemacht werden.

Lehnt die Gegenseite den Anspruch ab oder äußert sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen ab Zugang der Geltendmachung, so ist der Anspruch innerhalb von weiteren drei Monaten ab Zugang der Ablehnung bzw. Ablauf der Zwei-Wochen-Frist bei Gericht anhängig zu machen. Andernfalls ist der Anspruch verfallen und kann nicht mehr geltend gemacht werden.“

Mit Schreiben vom 14.09.2015 machte der Kläger die streitgegenständlichen Ansprüche gegenüber dem Beklagten geltend. Mit Schreiben vom 28.09.2015 wies der Beklagte die geltend gemachten Ansprüche zurück. Hiergegen erhob der Kläger am 21.01.2016 Klage. Mit dieser Klage unterlag der Kläger erstinstanzlich.

Entscheidungsgründe:

Das LAG Nürnberg wies die Berufung des Klägers zurück. Die erhobenen Ansprüche seien entsprechend der in § 10 des Arbeitsvertrages enthaltenen Ausschlussfrist verfallen.

Zwar seien die Ansprüche noch innerhalb der ersten Stufe der Ausschlussfrist (§ 10 Abs. 1 des Arbeitsvertrages) bis zum 31.10.2015 geltend gemacht worden, der Kläger habe seine Klage jedoch nicht innerhalb der Frist der zweiten Stufe der Ausschlussfrist (§ 10 Abs. 2 des Arbeitsvertrages), welche bis zum 28.12.2015 lief, geltend gemacht.

Die Ausschlussfrist sei auch wirksam vereinbart worden. Insofern sei die Ausschlussklausel nicht gemäß § 3 Satz 1 MiLoG i.V.m. § 134 BGB insgesamt unwirksam. Gemäß § 3 Satz 1 MiLoG sind alle Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, unwirksam. Zwar sei demnach die Ausschlussfrist gemäß § 10 des Arbeitsvertrages, welche die Geltendmachung des Mindestlohns beschränke hinsichtlich etwaiger Ansprüche auf Mindestlohn unwirksam. Diese Wirkung umfasse jedoch nicht die gesamte Klausel, sondern lediglich die Anwendung auf Mindestlohnansprüche. Der Begriff „insoweit“ in § 3 Satz 1 MiLoG schränke die Rechtsfolge – die Unwirksamkeit einer entsprechenden, den Mindestlohn gefährdenden Regelung – ein und begrenze sie auf diesen Fall. Nachdem der Gesetzgeber in § 3 MiLoG das Wort „insoweit“ eingefügt habe, sei die Ausschlussfrist nur insoweit unwirksam, wie sie Ansprüche auf Mindestlohn ausschließen würde.

Weiterhin verstoße § 10 des Arbeitsvertrages auch nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Eine Klausel, deren Wortlaut ein gesetzliches Verbot nicht wiedergebe, sei nicht intransparent, sondern jedenfalls insoweit unwirksam. Gesetzliche Gebote gelten als ersichtlich für jedermann und seien insbesondere auch Arbeitnehmern zugänglich. Insofern stehe das Wissen oder jedenfalls das Wissenkönnen um das gesetzliche Verbot der Kausalität zwischen der vertraglichen Klausel und der Entscheidung, davon abzusehen, einen Anspruch geltend zu machen, entgegen.

Praxishinweise:

Das Urteil des LAG Nürnberg kann nach unserer Auffassung nicht überzeugen. Gemäß unserer Auffassung stellt sich eine Ausschlussfristenregelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen – wozu die meisten Arbeitsverträge zu zählen sind – als intransparent i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB dar (so wohl auch BAG, Urteil vom 24.08.2016 – 5 AZR 703/15). Eine solche Intransparenz liegt immer dann vor, wenn dem Verwender ungerechtfertigte Beurteilungsspielräume eingeräumt werden und der Vertragspartner des Klauselverwenders so von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird (siehe BAG, Urteil vom 15.11.2016 – 3 AZR 579/15).

Dies ist vorliegend der Fall. Für den Arbeitnehmer steht aufgrund der oben genannten Ausschlussfristen-Regelung nicht hinreichend deutlich fest, welcher Teil seiner Entgeltansprüche der Ausschlussfrist unterfällt und welcher nicht.

Dagegen kann u.E. auch nicht die vom LAG Nürnberg bemühte Argumentation, eine Klausel, deren Wortlaut ein gesetzliches Verbot nicht wiedergebe, sei nicht intransparent, sondern jedenfalls insoweit unwirksam, angeführt werden. Dies liefe letztlich auf eine geltungserhaltende Reduktion der Klausel hinaus, welche gem. § 306 BGB unzulässig ist (s. dazu BAG, Urteil vom 28.09.2005 – 5 AZR 52/05).

Letztlich wird man hier die Entscheidung des BAG abwarten müssen; das LAG Nürnberg hat die Revision wegen des hohen Interesses an der höchstrichterlichen Klärung der Frage zugelassen.

Bis dahin empfehlen wir für die Praxis weiterhin, die vertraglichen Regelungen hinsichtlich der Ausschlussfristen zu überprüfen und Ansprüche auf ausdrücklich vom Geltungsbereich der Klausel auszunehmen.

Dr. Bastian Bayer
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht